FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2022

Viele Anbieter würden die persönliche Betreuung vermutlich gern vollständig weglassen, bislang ist das aber illusorisch. Von mehr als 1.000 Wertpapieranlegern, die Simon-Kucher nach ihren Präferenzen befragen ließ, gaben knapp 50 Prozent an, dass sie „gelegentlich bis immer“ Beratung bei ihrer Bank in Anspruch nehmen. Wei- tere 24 Prozent, darunter viele junge Kun- den unter 30, ziehen dies künftig in Erwä- gung, wobei nur ein Teil dieser Gruppe Mensch-Maschine-Lösungen bevorzugt. „45 Prozent der beratungsaffinen Kunden wünschen sich hybride Beratungsansätze, bei denen bestehende Beratungsprozesse in einem kundenfreundlichen Frontend digi- talisiert werden und kanalübergreifend ein- setzbar sind“, formuliert es Maximilian Biesenbach, Partner von Simon-Kucher. Benötigt werden daher Beratungstools mit separater Nutzeroberflächen für Kunden und Berater. Anleger können auf diese Wei- se digital informiert und ihre Aufträge au- tomatisch abgewickelt werden; die Option auf ein persönliches Gespräch mit Fachleu- ten bleibt aber bestehen. „Der Zugangs- punkt ist durch Kunden flexibel wählbar – durch das Endgerät oder den Besuch in der Filiale“, erklärt der Strategieberater. Beratungsrisiken Hybride Beratung gewähr- leistet aber nicht nur, dass Kun- den nicht im Regen stehen, wenn die IT nicht mehr weiter weiß, sie stellt auch sicher, dass in der Betreuung eine einheit- liche beziehungsweise die vom Institut freigegebene Anlage- strategie verfolgt wird. „In vie- len Banken glauben die Kun- denberater noch, dass sie selbst das beste Gespür für den Auf- bau sowie die kontinuierliche Überwachung und Optimie- rung der Kundenportfolios haben“, sagt Consultant Biesen- bach. „Das ist für die Bank aus Risikogesichtspunkten, aber auch aus Effi- zienzgründen reiner Wahnsinn: Warum sollen dezentral 100 Kundenberater ihr eigenes optimales Portfolio bauen, wenn das auch effizient zentralisiert – beispiels- weise im zentralen Anlagekomitee – ge- schehen kann?“ Tools und Robos Christian Grohs, Finanzsoftwareentwick- ler und Gründer der auf Beratungs- und Analysesysteme spezialisierten FAIT GmbH, meint, dass man nur dann von hybrider Beratung sprechen könne, wenn Kunden den gesamten Beratungs- und Abwick- lungsprozess grundsätzlich selbstständig durchführen können. Berater sollten nur im Fall spezieller Fragen hinzugezogen werden müssen. Grohs: „Die meisten Banken nutzen zwar Tools in der Beratung, einen echten hybriden Beratungsansatz im Wertpapierbereich bietet meines Wissens in Österreich imMoment aber noch keine Bank an.“ Dafür gebe es auch plausible Gründe. Einerseits dürfen mögliche haf- tungstechnische Probleme nicht übersehen werden, andererseits bestehe bei Wertpa- pierspezialisten von Banken durchaus die Sorge, infolge zu leistungsfähiger IT-Lösun- gen an Kompetenz einzubüßen oder gar ganz überflüssig zu werden. Bisher führte dies dazu, dass Banken sich tendenziell auf Robo-Berater konzentrierten. Diese sind eben nicht hybrid, sondern führen ohne persönliche Beratung zu Port- foliolösungen, die dem von diesen selbst erstellten Risiko- profilen der Kunden ent- spricht. Raiffeisen setzt dabei auf eine Robo-Lösung von Sca- lable, Kunden von Erste Bank und Sparkassen können im gruppenweiten Onlinebanking „George“ eine digitale Ver- mögensberatung in Anspruch nehmen. Die haben aber mit der klassischen Beratung nichts zu tun, sondern existieren sozu- sagen als Parallelwelt in diesen Häusern. Es zeigt sich, dass die Banken hierzulande eine Tren- nung zwischen der Clientel für Robo-Advice und der klassi- Bedürfnis nach Beratung Wie häufig unterstützt Sie ein Bankberater bei Wertpapierauswahl/-transaktionen? Fast jeder zweite Befragte greift zumindest hin und wieder auf die Dienste eines Anlageberaters zurück. Quelle:Simon-Kucher-Umfrageunter1.071Anlegern Nie, auch nicht in Zukunft 27 % Nie, aber gegebenen- falls in Zukunft 23 % Gelegentlich 34 % Immer 16 % » Durch das neue ESG- Thema wird die hybride Beratung befeuert. « Christian Grohs, FAIT fondsprofessionell.at 3/2022 263 FOTO: ©PFLÜGL

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=