FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2022

den Geschäftsräumen zu gewähren. Das geprüfte Unternehmen muss der FMA zu- dem Räumlichkeiten vor Ort zur Verfü- gung stellen, in denen sie die Prüftätigkeit ausüben kann. Der gesamte regulatorische Rahmen eines Finanzmarktunternehmens ist Teil der Prüfung (je nach gesetztem Schwerpunkt). Bei einer Wertpapierfirma wird unter anderem das Einhalten sämt- licher Sorgfaltspflichten (z.B. Wohlverhal- tensregeln des WAG 2018, Meldepflichten gemäß MiFIR) überprüft. Nach der Gesetzeslage in Österreich ist der FMA bei Vor-Ort-Prüfungen der Zu- tritt zu den Geschäftsräumen der Finanz- marktunternehmen zu ermöglichen. Wie ist das jedoch in Zeiten einer Pandemie zu verstehen, wenn sämtliche Unternehmen auf Homeoffice umstellen und die Mitar- beiter gar nicht „vor Ort“ sind? Verlagern sich die Geschäftsräume zu den Mitarbei- tern nach Hause? Bislang gibt es keine offi- zielle Publikation der FMA zu hybriden Arbeitsmodellen in der Finanzmarktauf- sicht. Die Grundlage für Vor-Ort-Prüfungen ist in § 71 BWG geregelt, wobei diese Norm zugleich auch die Basis für sämtliche Vor- Ort-Prüfungen bei Wertpapierfirmen und Börseunternehmen bildet (siehe §§ 90, 92 WAG 2018 und §§ 93, 112 BörseG 2018). Das Gesetz und die Rundschreiben der FMA beziehungsweise Guidelines der EZB und EBA sprechen einheitlich von „Ge- schäftsräumen“. Nach allgemeinem Ver- ständnis fällt der erste Gedanke dabei auf die Bank, die Wertpapierfirma, die Versiche- rungsgesellschaft – jedenfalls auf das Büro und den Sitz einer Gesellschaft. Privat- wohnungen wären damit nicht erfasst. Nach dem Gesetz gibt es jedoch einige Anhaltspunkte, wonach auf den ersten Blick eine Vor-Ort Prüfung daheim nicht abwegig scheint: So sind etwa Erfüllungs- gehilfen von Wertpapierfirmen, zum Bei- spiel vertraglich gebundene Vermittler oder Wertpapiervermittler, von der Vor-Ort-Prü- fungskompetenz mitumfasst, auch wenn diese außerhalb der Geschäftsräumlich- keiten der Wertpapierfirma tätig sind.Diese sind regelmäßig selbstständig in ihren eigenen Räumlichkeiten tätig. Insofern besteht bereits laut Gesetz eine Möglichkeit der FMA, in Räumlichkeiten „externer“ Betriebseinheiten ihre Prüfbefugnis aus- zuüben. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Erwei- terung einen zusätzlichen Kostenaufwand bei Ermittlungserfahren beschränken, die sonst über die Wertpapierfirma selbst zu führen wären. Aus praktischer Sicht ist es weiters verständlich, dass die FMA ein Interesse daran hat, die Erfüllungsgehilfen unmittelbar zu kontrollieren, da diese kun- denbezogene Dokumente und Unterlagen, zum Beispiel Beratungsprotokolle und Anlegerprofile, bei sich verwahren und somit vom Prüfungsumfang umfasst sind. Bei anderen externen Dienstleistern, an die lediglich Tätigkeiten ausgelagert sind, hat die FMA zumindest ein reines Betretungs- recht. Wenn also bereits diese externen Räumlichkeiten umfasst sind, wäre es naheliegend, auch das Homeoffice einzel- ner Mitarbeiter, die Kundenakten oder sonstige Unterlagen bei sich verwahren, in die Vor-Ort-Prüfung einzubeziehen. Arbeitsrecht Bei der Prüfung der Heimarbeitsplätze stellt sich aber nicht nur aus der Perspek- tive des Finanzmarktrechts die Frage, ob dies zulässig ist, sondern auch aus der des Arbeitsrechts. Und dieses stellt doch in einigen Teilbereichen Beschränkungen auf. So ist zumindest im Hinblick auf das Arbeitsinspektorat mittlerweile klargestellt, dass dieses nicht bei den Arbeitnehmern daheim einschreiten darf (§ 4 Abs. 10 ArbIG). Der Gesetzgeber hat damit eine klare Wertungsentscheidung getroffen, dass die Aufsichtsrechte von Behörden nicht uneingeschränkt gelten. Diese Beschrän- kung war nach demGesetzgeber insbeson- dere aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens erforderlich. Diese Wertungsentscheidung lässt sich unseres Erachtens auch auf den Bereich des Finanzmarktrechts übertragen, weshalb insofern ein Argumentationsspielraum dafür besteht, dass die FMA für ihre Vor- Ort-Prüfung Privathaushalte nicht einfach betreten darf. Blick in die Zukunft Obgleich der Unsicherheit bezüglich der Begriffe und der Weite der Befugnisse der FMA, ist eines ganz sicher – die FMA wird sich mit Homeoffice und hybriden Arbeits- modellen beschäftigen und eine klare Antwort finden müssen.Die Pandemie hat einmal mehr das Bedürfnis nach flexible- ren Arbeitsmodellen gezeigt, und ein Großteil der Unternehmen wird Home- office als Option beibehalten – nicht zuletzt, um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben. Damit die FMA einen Heim- besuch weiterhin nicht in Betracht zieht, ist es sicher empfehlenswert, strenge Home- office-Richtlinien beizubehalten und die Mitnahme von sensiblen Kundenunter- lagen nicht zu gestatten. Dennoch wird – soweit es keine klare gesetzliche Regelung gibt – immer ein Restrisiko bestehen, dass die FMA auch bei Mitarbeitern zu Hause anläutet und von ihren Einsichtsrechten und dem damit einhergehendem Betre- tungsrecht Gebrauch macht. Eine klare gesetzliche Regelung wäre zu begrüßen. Die Autoren: Dr. Raphael Toman LL.M. (NYU) ist assoziierter Partner, Janine Jira, LL.B. (WU) ist studentische Mitarbeiterin in der auf Finanzmarktrecht spezialisierten Kanzlei BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH. FP Dr. Raphael Toman, BRANDL TALOS Rechtsanwälte Janine Jira, BRANDL TALOS Rechtsanwälte fondsprofessionell.at 1/2022 261 FOTO: © UWE STRASSER (2)

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