FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2021

fürwortet Rechtsexperte Thomas Zibusch- ka die Novellierung. Anders als in Deutsch- land gebe es in Österreich allerdings keine Altbestandsregelung: Während im Nach- barland nur Fondsanteile betroffen sind, die seit Juli 2013 im Depot liegen, werden in Österreich auch die Besitzer aktueller Anteile in die neuen Fristen einbezogen. Dass die Neuerung möglicherweise Be- sitzer oder Neukunden abschrecken könn- te, erwartet VÖIG-Experte Zibuschka den- noch nicht. Zum einen gebe es eine lange Übergangsfrist, innerhalb derer sich Anle- ger darauf einstellen oder neu orientieren können – die Regelung soll erst bis spä- testens 1. Jänner 2027 anwendbar werden. Darüber hinaus entspreche eine längere Haltedauer ohnehin dem langfristigen Na- turell von Immobilienfonds, so Zibuschka. Die Opposition hatte sich ja Sorgen ge- macht, dass die Regelung für Kleinanleger nachteilig sein könnte. Im Finanzausschuss forderte man eine Ausnahme bis 100.000 Euro. Darauf ließen sich die Regierungs- parteien Türkis-Grün nicht ein und brach- ten den Antrag allein durch. Die Regelung gilt nur für Publikums- fonds. Spezialfonds, die im ursprünglichen Plan auch aufschienen, wurden zur Erleich- terung der Branche ausgeklammert. Eine Einbeziehung der Fonds, die in der Regel für einen oder wenige Investoren konzi- piert sind, hätte kaum Sinn gemacht. Herausfordernde Umsetzung Unter die positive Haltung mischen sich aber auch Bedenken aufgrund neuer Belas- tungen. „Die Umsetzung wird durchaus herausfordernd. Für die Infrastruktur und die Technik wird das eine größere Sache“, sagt Zibuschka. Eindeutig festzustellen, wer welche Anteile wie lange besitzt, dürfte auf- wendig werden. Auch Peter Karl von der Erste Immo- bilien KAG sieht diesen Punkt kritisch. Während er die Rückgabefrist befürwortet, bezweifelt er den Sinn der Mindesthalte- dauer. „Die Einführung erfordert größere administrative beziehungsweise technische Adaptierungen, um die Einhaltung der Fristen sicherzustellen. Aufwand und Nut- zen stehen unserer Meinung nach in kei- nem angemessenen Verhältnis“, so Karl.Die Haltedauer selbst habe nämlich nur gerin- ge positive Effekte auf die Fondsliquidität. Die Regelung betreffe schließlich nur die Käufe der letzten zwölf Monate. Und diese machen bei den etablierten bestehenden Fonds nur einen Bruchteil des Fondsvolu- mens aus, so Karl. Pre-Marketing Abseits dieser Änderungen bei den Immobilienfonds enthält die Regierungs- vorlage weitere Anpassungen für die Fondsindustrie. So wird für Alternative Investmentfonds (AIF) die Möglichkeit des Pre-Marketings geregelt – Gesellschaften können damit bei potenziellen Kunden in einem anderen EU-Land werben, noch bevor sie eine Vertriebszulassung der Behörden haben. Das soll den grenzüber- schreitenden Vertrieb erleichtern. Zum Bei- spiel könnten Anbieter dann vorab Ver- triebschancen für einen AIF in einem Mitgliedsstaat testen. Nötig wird die Gesetzesanpassung auf- grund einer Novelle der EU-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fondsvertrieb (CBDF, Cross-Border Distribution of Funds Directive). Die Einarbeitung in nationales Recht hätte eigentlich schon seit August 2021 geschehen sein sollen. Österreich ist hier wieder einmal säumig. Die CBDF führt erstmals EU-weit ein- heitliche Regeln für das Pre-Marketing ein. In Österreich gab es dafür bisher über- haupt keine Vorgaben, was naturgemäß mit Rechtsunsicherheit behaftet ist. Aller- dings ist zu erwähnen, dass alle von der Redaktion befragten Marktteilnehmer in Österreich angeben, dass die neuen Regeln für ihr eigenes Geschäft nur eine unter- geordnete Rolle spielten, Pre-Marketing sei bei ihnen kaum ein Thema.Nach den EU- Regeln ist das vorzeitige Tätigwerden ohne- hin nur bei professionellen Kunden er- laubt. Bei Privatkunden und auch bei qua- lifizierten Privatkunden ist es verboten. Große Anlegerskandale aufgrund von ge- lockerten Vorgaben werden daher eher nicht auftreten. Im Wettbewerb mit ausländischen An- bietern können sich dennoch Fragen erge- ben. Es gibt nämlich durchaus Grauzonen. So ist es nicht einfach, genau festzustellen, wo noch kein echter Fondsvertrieb, son- dern gerade noch Pre-Marketing stattfindet. Darauf weisen unter anderem die Rechts- anwälte der auf Kapitalmarktthemen spe- zialisierten Kanzlei Binder Grösswang in einer Stellungnahme zu der Novelle hin. Dem österreichischen Gesetzgeber stehe es nach Ansicht der Anwälte frei, dies näher zu definieren. Bei Redaktionsschluss stand eine endgültige Abstimmung imNational- rat über die neuen Regeln noch aus. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Aufwand und Nutzen stehen unserer Meinung nach in keinem ange- messenen Verhältnis. « Peter Karl, Erste Immobilien KAG fondsprofessionell.at 4/2021 251

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