FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2018
wonach Bonitätsdaten zu löschen sind, wenn Zweck oder Rechtsgrundlage für deren Ver- arbeitung wegfallen. Klagen erwartet Diese schwammige Formulierung wird nun zu einem Knackpunkt in der Debatte um „schwarze Listen“. Denn Datenschützer wol- len auf dem Klagsweg ausfechten, wann ge- nau die Speicherrechtfertigung wegfällt. „Die DSGVO nennt zwar keine Fristen. Aber was sich ändert, ist, dass die Anbieter nun begrün- den müssen, warum eine Löschung unterblie- ben ist“, so Arge-Daten-Obmann Hans Zeger. Einige seiner rund 700 Mitglieder (Firmen, Behörden, NGOs …) wollen an dieser Stelle mit Schadenersatzklagen ansetzen. „Wir wer- den Verfahren führen. Wir unterstützen nie- manden mit fragwürdiger Bonität, aber eine bezahlte Forderung, die fünf Jahre später noch aufscheint, sehen wir uns an“, so Zeger. We- sentlich sei, dass man laut DSGVO nicht nur materielle Schäden einklagen kann (z. B. Kre- dit wird wegen Falscheintrags verweigert) sondern auch immaterielle Schäden (Daten wurden anderen zu Unrecht zugänglich ge- macht). Verjährte nicht bezahlte Kleinbeträge müssen ja nichts mit der heutigen Bonität zu tun haben. Ein Zivilgericht könnte einem Be- troffenen dafür ohne wirtschaftlichen Schaden rund 2.000 Euro zusprechen, so Zeger. Läuft es auf Sammelklagen hinaus, könnten sich allein dadurch hohe Streitwerte summieren. Zweifel hat Zeger indes an der abschrecken- den Wirkung der Datenschutzbehörde (DSB). Diese kann Vergehen eigentlich mit bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des globalen Umsatzes ahnden. Die heimische DSGVO- Auslegung sieht bei Erstverstößen aber eine Verwarnung vor. Anbieter könnten es also auf einen „Rüffel“ ankommen lassen, bevor sie ihre Speichermentalität ändern. Ein weiterer Punkt, der vor Gericht oder DSB landen könnte: Die Datenschützer sagen, Betroffene müssten über einen Eintrag informiert werden, was aber meist nicht geschehe. Politische Lösung in Arbeit Die großen Wirtschaftsauskunfts- unternehmen kontern der Kritik, indem sie umfassende DSGVO- Anstrengungen vorweisen. Dass das Gesetz unpräzise ist, fordert auch sie heraus – insbesondere die seriösen Anbieter, wenn sie im Dreieck Wett- bewerb-Gläubigerschutz-Datenschutz die Linien ziehen müssen. Um Klärung bemüht, arbeiten nun die Aus- kunfteien erneut an einer politischen Lösung mit. Wie Crif gegenüber FONDS professio- nell erklärt, sprechen Branchenvertreter mit Sozial- und Innenministerium sowie Arbeiter- und Wirtschaftskammer über eine Neurege- lung ihres Gewerbes. Auch über Bagatell- grenzen werde verhandelt, heißt es. Laut Arge-Daten-Obmann Zeger ist ein politischer Anlauf vor einem Jahrzehnt versandet. Da- mals sei eine offizielle Liste im Raum gestan- den, in der „nur nachvollziehbare Problemfäl- le ab einem festgelegten Betrag registriert werden. 80 bis 90 Prozent der Privatpersonen wären dadurch aus bestehenden Listen raus- geflogen“, so Zeger. Fest steht, dass die Auskunfteien auch ohne Regelung ihre Listen gerade überarbeiten müssen: Wie es aussieht, nutzen die Konsu- menten die weitreichenden Auskunftsrechte der DSGVO massiv. Beim KSV1870 verlan- gen 500 bis 700 Personen täglich Informatio- nen über Eintragungen – doppelt so viele wie sonst. Crif meldet ein Plus von 20 Prozent. Diese Anfragen müssen nun innerhalb eines Monats erledigt werden, statt davor innert acht Wochen. Was den grundsätzlichen Löschan- spruch betrifft, ändert sich nichts, denn auch bisher konnte man Einträge aus Warenkredit- listen schon streichen lassen. Genau das empfehlen Kreditmakler ihren Kunden lange vor einem Kreditansuchen. Denn ein Eintrag, der von einer Bank nicht goutiert wird, kann Folgen nach sich ziehen: In der beim KSV geführten Konsumentenkre- ditevidenz (KKE, auch Kleinkreditevidenz), wo die Banken gewährte Kredite vermerken, werden ebenso abgelehnte Kredite eingetra- gen. Prinzipiell für drei Monate; wurde der Kredit aufgrund mangelnder Bonität verwehrt, können andere Banken das sogar sechs Mo- nate sehen. Creditnet-Chef Maurer betrachtet diese Einträge als unfair, weil es „schlicht an den hausinternen Vergabelinien liegt, ob Sie einen Kredit erhalten“. Seiner Beobachtung nach würden Banken mitunter auch Kredite ablehnen, weil sie in sogenannten „Multiaus- kunftsdateien“ sehen, dass ein Eintrag exis- tiert. Was und wie viel sehe man hier nicht. Kredit für „Strafzettelmuffel“ Einen KKE-Eintrag kann man jedenfalls nicht so einfach entfernen lassen. Hier hat die Datenschutzkommission, die Vorgängerbehör- de der DSB, Fristen erlassen (siehe Kasten). Die KKE ist gemeinsam mit der ebenfalls vom KSV geführten „Warnliste der Banken“ (Kreditkartenmissbrauch, unbezahlte Kredit- raten …) das wichtigste Instrument, um Mehrfachvergaben und andere Risiken zu ver- meiden. „Es wird oft vergessen, dass solche Einträge Schutzfunktionen sowohl für Gläu- biger als auch für Schuldner erfüllen“, sagt Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Er moniert zu- dem, dass mit Gerüchten Stimmung gemacht wird. „Wenn eine Bank eine Obligoanfrage beim KSV macht, um sich über einen Kunden zu informieren, können andere Banken das nicht sehen. Das wird oft mit der Situation in Deutschland verwechselt“, so Wagner. Auch Infina-Prokurist Hrubec sieht keinen Grund für Alarmismus: Es hänge sehr von der individuellen Situation ab, ob Einträge nachteilig sind. „Wir haben einmal einen zah- lungskräftigen Kunden vermittelt, der aus Prinzip seine Strafzettel nicht be- zahlt hat. Gerade bei Immobilienkre- diten schaut die Bank, ob die gesam- te Zuverlässigkeit passt“, so Hrubec. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Gerhard Wagner, Chef der KSV1870 Information GmbH: „Einträge schützen auch Schuldner.“ Löschfristen für Eintragungen in der KKE (Kleinkreditevidenz) • bei vollständiger Zahlung einer Schuld nach Zahlungsanstand 5 Jahre • bei Zahlung auf andere Weise (etwa Abschlagszahlung) 7 Jahre • abgelehnte Kredite 3 Monate • wegen mangelnder Bonität abgelehnte Kredite 6 Monate Warnliste der österreichischen Kreditinstitute • bei vollständiger Tilgung der Schuld 3 Jahre • bei Tilgung auf andere Weise 7 Jahre Die Löschfristen richten sich nach dem Rückzahlungs- bzw. Erledigungsdatum. Quelle: KSV, Arge Daten 239 www.fondsprofessionell.at | 3/2018
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