FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2018

Foto: © Günter Menzl D ie Überraschung war groß, als Bundeskanzler Sebastian Kurz sein Regierungsteam vorstellte und be- kannt wurde, dass der bisherige Uniqa- Österreich-Vorstand Hartwig Löger Fi- nanzminister wird. Für Löger sicher keine leichte Entscheidung: Zum einen ist er ein politischer Quereinsteiger, zum anderen gab er einen wesentlich besser bezahlten Job auf und tauschte ihn gegen einen der anspruchsvollsten, den die heimische Po- litik zu bieten hat. Doch den gebürtigen Steirer reizten seit jeher neue Aufgaben. So wollte er eigentlich Pilot werden, dieser Plan scheiterte jedoch an einer Verletzung. Zufällig kam er dann in die Versicherungs- branche und machte dort Karriere. Mittler- weile ist Löger seit neun Monaten Finanz- minister und hat sich einiges vorgenom- men. Was genau, verrät er im Interview. Herr Löger, Sie sind jetzt seit neun Mo- naten im Amt. Was war rückblickend die größte Umstellung vomWechsel aus der Privatwirtschaft in die Politik? Hartwig Löger: Ich muss gestehen, dass ich keine Erwartungen hatte. So gesehen gab es auch keine großen Überraschungen. Mein Zu- gang ist immer sehr sachorientiert, was gerade in der Funktion als Finanzminister ein Vorteil ist, da ich mich mit sehr vielen inhaltlichen Themen auseinandersetzen muss. Da ich ja bisher so gut wie keine politische Erfahrung gesammelt habe, bin ich sehr neutral an die Sache herangegangen. Klar ist, dass es sich jedenfalls um eine unglaublich intensive Tä- tigkeit handelt. Schließlich hat man bei allen Themen mit einer unglaublichen Vielzahl an Interessen zu tun, egal ob innerhalb der Re- gierung oder mit institutionellen Interessenla- gen, daneben gibt es noch föderalistische Ele- mente, die es zu berücksichtigen gilt. Auf par- lamentarischer Ebene die Opposition, und im Bereich der Öffentlichkeit gibt es noch die Medien. Insofern gibt es viele Faktoren, die eine Entscheidungsfindung nicht gerade ein- fach machen. Hand aufs Herz, bereuen Sie den Schritt bereits? Absolut nicht. Damals war es eine Bauchent- scheidung, und es bestätigt sich für mich jetzt, dass die aktuelle Phase die spannendste und beruflich herausforderndste meines bisherigen Lebens darstellt. Jeder Tag bringt herausfor- dernde neue Themen. Anfang September war ich Gastgeber des informellen Treffens der eu- ropäischen Finanzminister im Ecofin-Rat in Wien (Anm. d. Red.: Economic and Financial Affairs Council), da gab es intensive Diskus- sionen etwa über die Einführung einer Digi- talsteuer. Sie sind in Ihrer neuen Tätigkeit auch stark in EU-Themen involviert. In den vergangenen Jahren ist der Finanzsektor stark reguliert worden, als Vorstand eines Versicherungsunternehmens haben Sie das ja hautnah miterlebt. Worauf muss sich die Finanzbranche noch einstellen, oder ist jetzt endlich Schluss mit neuen Regulierungsoffensiven aus Brüssel? Vor genau zehn Jahren kam es zur Pleite der Lehman-Bank und zum Beginn der Finanz- krise. Dabei sind Dinge passiert, die nach einer stärkeren Regulierung, Kontrolle und Transparenz verlangt haben. Ich bin aber der Meinung, dass es berechtigt war, auf globaler und europäischer Ebene eine strengere und klarere Regulierung für ge- wisse Bereiche in der Finanzwirtschaft zu installieren. Ich sehe aber auch, dass das Pendel im Bereich der Regulierung bereits weit über die Mitte hinaus ausgeschlagen hat, wir sind wohl bereits am anderen En- de des Pendelschlags angelangt. Wir er- kennen, dass in vielen Bereichen die Re- gulierung schon eher zu einer Strangulie- rung geworden ist und es höchst an der Zeit ist, das Ganze wieder in ein vernünf- tiges Gleichgewicht zu bringen. Sind Sie sind also für eine Überprüfung der einzelnen Vorschriften auf EU-Ebene auf deren Sinnhaftigkeit? Ja, das passiert teilweise bereits auf EU-Ebe- ne. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit et- was mehr Pragmatismus die Dinge wieder in ein vernünftiges Lot bringen können. Wesent- lich ist dabei das Thema der Proportionalität. Damit meine ich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Aufsicht nicht alle europäi- schen Marktteilnehmer über einen Kamm scheren sollte, sondern auch die regionalen Gefüge besser berücksichtigt werden müssen. Bezüglich Finanzmarktaufsicht planen Sie ja auch eine Reform in Österreich. Ihr Vorgänger wollte hier ja eine große Reform durchziehen, am Ende gab es dann doch nur geringfügige Verände- rungen. Wie sieht Ihr Plan aus? Die gesamtheitliche Aufsichtsreform, die Hans Jörg Schelling berechtigterweise vorhat- te, war in der damaligen Regierungskonstel- lation nicht umsetzbar, daher gab es nur eine kleine Reform. Wir haben von Beginn an kein Hehl daraus gemacht, dass wir nun mit der neuen Regierung die Absicht haben, eine Auf- sichtsreform mit strukturellen Änderungen umzusetzen. Ich erwarte, dass wir diese Än- Der neue Finanzminister Hartwig Löger erklärt im Gespräch, wie sich der Wechsel von der Privatwirtschaft zur Politik für ihn dargestellt hat, was er von der überbordenden Regulierung hält, wie er die Finanzmarkt- aufsicht reformieren will und was er im Bereich der Altersvorsorge vorhat. „Wir werden den Kapitalmarkt » Es bestätigt sich für mich jetzt, dass die aktuelle Phase die spannendste und beruf- lich herausforderndste meines bisherigen Lebens darstellt. « Hartwig Löger, österreichischer Finanzminister steuer & recht I har twig löger | finanzminister 240 www.fondsprofessionell.at | 3/2018

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