FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

225 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 gelte für Wirtschaftstreibende nicht. Hier herrscht Vertragsfreiheit, weil der Gesetzgeber gewissermaßen von „Waffengleichheit“ der Partner ausgeht. Haslinger kann diese Ar- gumentation nur bedingt nachvollziehen: „Natürlich, wenn ein Unternehmer im Vertrag explizit eine einseitige Anpassung akzeptiert, dann ist das zulässig. Aber viele Kreditverträ- ge wurden ja zu einer Zeit geschlossen, in der Negativzinsen kein Thema waren. Solche Ver- einbarungen gibt es da meist gar nicht.“ Und einen Vertrag einseitig zulasten einer anderen Partei abzuändern, „das geht schon seit den alten Römern nicht. Es geht um eine faire Auslegung des Gesetzes. Und ich sehe nicht, warum das nicht bis vor den OGH gehen sollte“, so Haslinger. Dass es bis jetzt keine Klagen gab, erklärt er damit, dass Unter- nehmen in einer regelmäßigeren Abhängigkeit zu den Banken stehen. „Das wird nicht gern aufgebauscht. Man braucht vielleicht bald wieder einen Kredit, da vertut man sich’s nicht gleich mit der Bank.“ Die Rückfrage bei den Banken zeigt jeden- falls, dass die Firmenkunden sehr wohl urgie- ren. Rückstellungen wurden aber bisher in keiner der von uns befragten Banken gebildet. Eine Bawag-PSK-Sprecherin sagte: „Verein- zelt haben sich frühere Immo-Bank-Firmen- kunden gemeldet. Wir haben vor, uns zu eini- gen und Rückzahlungen vorzunehmen.“ Man habe zwar in großem Umfang nachträglich die Bankmarge als Untergrenze eingezogen. Allerdings einvernehmlich. Man erwartet daher keine Ansprüche. Bei der Volksbank Wien heißt es: „Ja, es hat einzelne Anfragen gegeben.“ Ob man sich geeinigt hat, wurde offengelassen. Bei einigen Banken war das Thema aber sichtlich heikel. Die Bank Austria tat sich nicht leicht mit Antworten. Auf die Frage nach Ansprüchen oder Einigungen hieß es umständlich, man stehe in einem „sehr offenen Dialog“ mit Firmenkunden. Kunden- zufriedenheit sei das „oberste Gebot“. Das ist kein „Nein“ auf die Regressfrage; man könnte daraus herauslesen, dass es Rückforderungen gibt, aber man gewillt ist, sich zu einigen. In der Raiffeisenlandesbank Niederöster- reich-Wien kennt man keine Ansprüche. Die Bank passte auch per se keine Verträge nach- träglich an. Denn die Zinsen werden meist ohnehin „jährlich im Rahmen eines Bilanz- gesprächs angepasst“, wie es heißt. Etliche Banken haben von vornherein Ab- machungen getroffen. Ein Sprecher der Erste Group sagte: „Unsere Verträge mit Firmen- kunden enthalten ab 2013 alle die Vereinba- rung, dass negative Indikatorwerte mit dem Wert null berücksichtigt werden. Wir haben bisher nur sehr vereinzelt Diskussionen und sehen kein gravierendes Rechtsrisiko.“ Auch in der Raiffeisenlandesbank Salzburg wurde meist eine Zinsuntergrenze vereinbart. Ansatzpunkt für Anfechtung Die Frage ist, ob solche Zinsuntergrenzen (wenn einseitig) nicht möglicherweise doch anfechtbar sind – obwohl ja zwischen Unter- nehmen Vertragsfreiheit herrscht. 2016 gab es ein OGH-Urteil (3 Ob 47/16g), in dem eine Marktgemeinde recht bekam, weil ein Immobilienleasingvertrag eine Mindest-, aber keine Höchstverzinsungsklausel enthielt. Der Vertrag hätte die Gemeinde gröblich benach- teiligt und wurde daher für nichtig erklärt. Symmetrie gilt also doch nicht ausschließlich für Privatverträge. Der Innsbrucker Wirtschaftsanwalt Andreas Grabenweger von CHG, der uns diesen Fall schilderte, warnt aber: Der Fall betreffe § 879 AGBG, wo es um Nichtigkeit aufgrund gröb- licher Vernachlässigung geht. Man dürfe da- raus keine allgemeine Parallele zum Symme- triegebot im Konsumentenschutz ableiten. Au- ßerdem: „Es geht hier nicht um einen Kredit-, sondern um einen Leasingvertrag. Es wäre auf jeden Fall ein erhebliches Risiko, wenn man unter diesem Aspekt nach § 879 bis zum OGH geht.“ Es sei nicht mehr als ein kleiner Anhaltspunkt. Allerdings: Das Urteil wurde bereits 2016 gesprochen, Die eindeutige Haltung, die das Oberste Gericht zur Symme- trie inzwischen an den Tag gelegt hat, könnte da natürlich einiges bewegen. Grabenwegers Kollege, der Innsbrucker Anwalt Christian Winder, meinte gegenüber FONDS professionell, als Unternehmer könne man mit dem Symmetriegebot, wenn über- haupt, nur als Kleinstunternehmer mit „gerin- ger unternehmerischer Struktur und handelsfernem Gewerbe“ argumentieren. Da könne man von einem starken Inform- ationsgefälle zwischen Unter- nehmen und Bank ausgehen. Kollege Grabenweger wider- spricht: „Auch in der kleinsten Struktur kann ich nicht Unter- nehmer sein und gleichzeitig schutzbedürftig wie ein Konsu- ment. Damit würde man gar nicht vor den OGH kommen.“ EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Andreas Grabenweger, CHG Rechtsanwälte, sieht in der Nichtigkeitsbeschwerde eine minimale Chance. Negativzinsen – OGH-Urteile im Überblick Entscheidungs- Verbandsprozess / datum Geschäftszahl Individualprozess Entscheidung 21.3.2017 10 Ob 13/17k Verbandsprozess Keine Negativzinszahlungspflicht der Bank 26.4.2017 1 Ob 4/17w Individualprozess Keine Negativzinszahlungspflicht der Bank 3.5.2017 4 Ob 60/17b Individualprozess Marge darf keinen Floor darstellen 30.5.2017 8 Ob 101/16k Verbandsprozess Vertragsauslegung, dass Marge einen Floor darstellt, unzulässig 30.5.2017 8 Ob 107/16t Verbandsprozess Vertragsauslegung, dass Marge einen Floor darstellt, unzulässig 13.6.2017 4 Ob 107/17i Verbandsprozess Zinsgleitklausel mit Floor, aber ohne Cap verstößt gegen § 6 (1) Z 5 KSchG 28.6.2017 9 Ob 35/17p Individualprozess Bestätigung der bisherigen Judikatur 29.8.2017 6 Ob 51/17v Verbandsprozess Bestätigung der bisherigen Judikatur 30.8.2017 3 Ob 88/17p Individualprozess Bestätigung der bisherigen Judikatur Die Urteile kosten die Banken rund 360 Millionen Euro. Immerhin müssen keine Negativzinsen gezahlt werden. Quelle: WKO » Es geht um eine faire Auslegung des Gesetzes. Ich sehe nicht, warum Unternehmer nicht bis zum OGH gehen sollten. « Wolfgang Haslinger, Anwalt

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