FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

224 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 bank & fonds I negativzinsen Foto: © Fotolia | zolnierek, Foto Hofer Innsbruck 2 017 war in Österreich in gewisser Weise das Jahr der Negativzinsen. Sehr zum Leidwesen der Banken fällte der Oberste Gerichtshof (OGH) mehrere Urteile (siehe unten) , die pri- vaten Kreditnehmern recht gaben, die forderten, Banken müssten auch Nega- tivzinsen weitergeben. Nun müssen hun- derte Millionen an Zinsen zurückgezahlt werden. Dass angesichts dieser Entschei- dung auch etliche Unternehmer versu- chen, Geld zurückzubekommen, liegt auf der Hand. Aufgrund der Gesetzeslage wird das für Firmenkunden jedoch vor- aussichtlich schwieriger. Manche Anwäl- te sehen dennoch Chancen, und wie man aus Bankkreisen hört, gehen die Institute teilweise freiwillig auf die Rückzah- lungsforderungen ihrer Kunden ein. Ein Rückblick und ein Ausblick. Die Minuszinsfalle Variabel verzinste Kredite setzen sich in der Regel aus zwei Komponenten zu- sammen: aus dem veränderlichen Indikator- oder Referenzzinssatz (meist Euribor oder Libor) und aus der fixen Marge, die die Bank auf diesen Indikator aufschlägt. Zum Problem wurden diese sogenannten Zinsgleit- oder Zinsanpassungsklauseln im Umfeld der geld- politischen Lockerung und der Nullzinspoli- tik: Der Drei-Monats-Euribor sank 2015 erst- mals in den negativen Bereich. Derzeit liegt er bei Minus 0,329 Prozent. Das heißt, eine Bank, die einen Aufschlag von 0,9 Prozent verlangt, erhält insgesamt nur noch 0,571 Pro- zent an Zinszahlungen. Und ginge es mit dem Euribor noch weiter bergab, könnte sogar inklusive der Marge unterm Strich ein Minus stehen. Theoretisch müsste die Bank dann also Zinsen an den Kreditnehmer zahlen. Weil die Banken beimAbschluss der lang- jährigen Kreditverträge nicht mit solchen Sze- narien rechnen konnten, existieren dafür auch keine passenden Vereinbarungen. Viele Ban- ken zogen daher 2015 die Reißleine und informierten ihre Kunden, dass sie auf keinen Fall Zinsen zahlen werden. Manche stellten überdies fest, dass sie einen negativen Refe- renzwert in keiner Weise berücksichtigen: Der Kunde müsse also mindestens die Marge zah- len, egal wie tief die Zinsen sinken. Viele Kunden wollten das nicht mittragen, weil für die variablen Kreditverträge ja auch keine Deckelung nach oben besteht, wenn die Zinsen steigen; zahlreiche Individual- und Verbandsklagen waren die Reaktion. Glimpflich, aber deftig Einerseits ging die Sache für die Banken glimpflich aus. Der OGH stellte schlussend- lich fest, dass bei einem Kreditvertrag Einig- keit besteht, dass „der Kreditnehmer, nicht der Kreditgeber Zinsen zu zahlen hat. Der Kredit- nehmer kann bestenfalls damit rechnen, keine Sollzinsen zahlen zu müssen.“ Sprich: Es gibt keine Verpflichtung für Negativzins- zahlungen. Das Urteil war aber eine Zitterpartie, denn davor hatte das Han- delsgericht Wien mehrfach geurteilt, dass Negativzinsen fällig sind, wenn beide Parteien eine Gleitklausel ohne Ober- oder Untergrenzen ausgemacht haben. In der zweiten Frage, ob die Kredit- geber mindestens die Marge verlangen dürfen, war der Gerichtshof mit den Banken nicht so gnädig. Die Richter kamen zu der Ansicht, dass es unzuläs- sig sei, eine Zinsuntergrenze in Höhe des Aufschlags festzulegen – vor allem wenn es nicht gleichzeitig eine Ober- grenze gebe. Das widerspreche näm- lich dem Symmetriegebot gemäß § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG. Der OGH sagt sinngemäß: Beide Seiten entscheiden sich ja bewusst gegen einen fixen Kre- dit, um Chancen und Risiken variabel zu regeln. Der Kreditnehmer darf dabei von einer symmetrischen Verteilung von Chancen und Risiken ausgehen. Und die ist eben bei einem einseitigen Floor nach unten nicht gegeben. Dass die tiefen Zinsen für die Banken ruinös seien, ließ der OGH dabei als Argument nicht gelten. Die APA errechnete, dass die Banken rund um die Urteile ungefähr 360 Millionen Euro zurückzahlen müssen. Franz Rudorfer, Chef der Bundessparte Bank und Versicherung meinte, das sei „hoch eingeschätzt“. Eigene Angaben legte er aber nicht vor. Möglicher- weise kommt auf die Banken aber ohnehin noch ein größerer Brocken hinzu. „Klagen möglich“ „Bei uns haben sich schon mehr als ein Dutzend Unternehmen gemeldet“, sagt Wolf- gang Haslinger von Neumayer, Walter & Has- linger Rechtsanwälte. Die Kanzlei hat kürz- lich Firmenkreditinhaber aufgefordert, mit der Bank über Negativzinsen zu verhandeln. Alle Banken, mit denen FONDS professio- nell sprach, argumentierten, dass die OGH- Urteile nicht auf Unternehmen umzumünzen seien. Denn das Symmetriegebot im Konsu- mentenschutzgesetz, auf das der OGH abzielt, Die Banken müssen hunderte Millionen Zinsen an private Kreditnehmer zurück- zahlen. Nun prüfen auch Firmenkunden, wie die Chance auf Rückzahlungen steht. Eine Frage der Symmetrie Die zahlreichen OGH-Urteile zu den Negativzinsen treffen nur auf Konsu- mentenkredite zu, sagen die Banken. Die Anwälte sehen das anders. » Der Kreditnehmer, der einer Zinsänderungsklausel zustimmt, (…) geht von einer symmetri- schen Verteilung von Chancen und Risiken aus. « OGH-Urteil 2017

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=