Am 11. Juli wurden – endlich – die vom Wirtschaftsministerium abgesegneten Lehrpläne für Versicherungsvermittler veröffentlicht. 24.000 Unternehmen in Österreich – Versicherungsmakler, Versicherungsagenten, gewerbliche Vermögensberater, die zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen berechtigt sind, so wie Händler, die produktbezogene Versicherungen verkaufen – müssen sich daran halten, und zwar schon seit Jahresbeginn. Es ist der letzte große gesetzliche Brocken rund um die Einführung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD (Insurance Distribution Directive). Noch immer sind aber nicht alle Details restlos geklärt.

Ist die Bildungsakademie der Versicherungswirtschaft unabhängig?
Als Vermittler muss man sich nach der Lektüre der Lehrpläne insbesondere die Frage stellen, ob die Angebote der BÖV (die Bildungsakademie der Versicherungswirtschaft), als unabhängige Schulung gelten oder nicht – oder sogar, ob diese überhaupt anrechenbar sind. Versicherungsmakler müssen ja zehn der seit heuer verpflichtenden 15 Fortbildungsstunden pro Jahr bei unabhängigen Bildungsinstitutionen absolvieren, Vermögensberater und Versicherungsagenten mindestens die Hälfte von 20 beziehungsweise von 15 Stunden.

In allen drei Lehrplänen heißt es relativ übereinstimmend (siehe Klickstrecke oben), dass eine Einrichtung nicht unabhängig ist, wenn ein Produktgeber oder Rechtsträger so wie dessen Mutter- beziehungsweise Tochterunternehmen direkt oder indirekt an Stimmrechten oder Kapital beteiligt ist oder sonst einen wesentlichen Einfluss auf die Bildungsinhalte nimmt. Hier fällt der Blick auf die BÖV, deren gewichtigstes Mitglied der VVO ist, der Interessensverband der Versicherungsunternehmen.

Unterschiedliche Ansichten bei Fachverbänden
Tatsächlich kommen alle Fachverbände zu unterschiedlichen Ansichten. Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler sagt: "Die BÖV und die Gesellschaft für Versicherungsfachwissen gelten als unabhängig. Es darf nur nicht zu Produktschulungen kommen". Dem sei eine sehr lange Diskussion vorausgegangen, zuletzt auch mit dem Ministerium, lässt Berghammer hinter die Kulissen blicken. Die Versicherungsmakler (§ 6, Abs. 4) haben, genau wie die -agenten (§ 8, Abs. 4), in ihrem Lehrplan "absatzorientierte Produktschulungen" ausdrücklich als unzulässig für die Fortbildung ausgeschlossen – ein Passus, der direkt auf die Versicherungsunternehmen beziehungsweise auf die BÖV abzielt.

Zwar haben die Fachverbände der Versicherungsmakler und -agenten selbst Mitgliederstatus in der BÖV. Ihre jeweiligen Fachorganisationen sind aber gemäß den Lehrplänen selbst explizit anerkannte Schulungsanbieter. Am Ende geht es daher um die Sicherung des eigenen Einflusses.

Grandits: "Unabhängig, aber nicht geeignet"
Horst Grandits, Bundesobmann der Versicherungsagenten, hat denn auch eine eindeutig negative Haltung gegenüber der BÖV. Diese sei zwar unabhängig, jedoch nicht geeignet, so Grandits auf die Frage, wie der Agenten-Lehrplan auszulegen sei. Man habe die BÖV als unabhängige Bildungsinstitution akzeptieren müssen, "weil es ein Verein des VVO ist und daher kein einzelner Versicherer direkt oder indirekt beteiligt ist. Aufgrund einer massiven Intervention der Versicherungswirtschaft beim Wirtschaftsministerium mussten wir nachgeben", bedauert Grandits. Aber: Die BÖV müsse sich laut dem Agenten-Lehrplan – um überhaupt geeignet zu sein – erst einmal nach Ö-Cert zertifizieren lassen oder ein Gütesiegel beim IBW (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft) erwerben. Die selbe Formulierung ist übrigens auch im Lehrplan-Text der Makler zu finden. Demnach stünde auch hier die BÖV noch zur Diskussion.

Bei der BÖV selbst, beziehungsweise beim VVO, der für die Akademie spricht, wird die Relevanz der Diskussion heruntergespielt: "Die BÖV ist vorwiegend in der Ausbildung, nicht jedoch Weiterbildung tätig, zudem gehen wir nach wie vor von der Unabhängigkeit aus“, so die VVO-Pressesprecherin. Allerdings denkt die Anstalt doch über die von den Agenten und Maklern geforderte Zertifizierung nach: die "BÖV befindet sich dahingehend noch in der Überlegungsphase", so die Sprecherin des Versicherungsverbands.

Dolzer: "Wir müssen liberal sein, sonst bekommen wir ein Problem"
Wenig zufrieden mit der Debatte ist Hannes Dolzer, Bundesobmann der Finanzdienstleister (Vermögensberater, Wertpapiervermittler). Er kritisiert die Haltung, dass die BÖV nicht dabei sein sollte und warnt vor Angebots-Engpässen: "Mit Versicherungsmaklern, Versicherungsagenten, Vermögensberatern und dem Kfz-Handel gibt es 24.000 Unternehmen, die erstmals zur Weiterbildung verpflichtet werden. Wenn wir die Infrastruktur einschränken, könnte es schwer werden, die Leute unterzubringen", gibt Dolzer zu bedenken. Manche Beteiligte würden wohl die Kapazitäten über- und die Zahl der zu Schulenden unterschätzen, so der Verbandsobmann, der auch für die Wertpapiervermittler verantwortlich ist und daher diesbezüglich schon Erfahrungen hat.

Man habe bei den Wertpapiervermittlern, die durch Mifid II bereits zu Fortbildungen verpflichtet sind, gesehen, dass es Schwierigkeiten gibt, geeignete Plätze zu bekommen, besonders, wenn jemand noch eine Schulung knapp vor Ablauf der Nachweisfrist absolvieren muss. Die Fachverbände allein könnten das Bedürfnis nicht stillen. Man merke den massiven Bedarf auch beim Fachbereichs-eigenen "Bildungs-kick-off", wo mehrere Hundert Schulungsplätze stets innerhalb weniger Minuten ausverkauft seien. "Wir wollen, dass den Beratern möglichst viele Anbieter zur Verfügung stehen. Wir sollten hier liberal sein, sonst haben wir ein Problem", mahnt Dolzer.

Keine Einschränkung für Vermögensberater
Er geht davon aus, dass die BÖV sich zertifizieren lässt. Damit wären die Diskussionen beendet. Aber auch ohnedies könne der bestehende Vermögensberater-Lehrplan von seinen Mitgliedern so interpretiert werden, dass die BÖV unabhängig und geeignet sei. Ein Mutter-Tochter-Bezug sei aufgrund der Vereinsform nicht gegeben, und dass absatzorientierte Produktschulungen keine facheinschlägige Weiterbildung sein können, verstehe sich von selbst. (eml)


Service:
- Lehrplan der Vermögensberater
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- Lehrplan der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten und die Erläuterungen
- Angepasst wurde auch der Lehrplan für die Wertpapiervermittlung