FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2022

Nachhaltigkeitspräferenzen vorschreibt, des- halb auch keinen abschließenden Katalog vorgelegt, welche Finanzprodukte welchem Anleger empfohlen werden dürfen. Viel- mehr werden nur mehrere mögliche Pro- duktmerkmale genannt. „Banken, Versi- cherungen und Wertpapierunternehmen werden ihre Vertriebspartner also entspre- chend schulen müssen“, so Compliance- Experte Andreas Dolezal. Ein Konzept, wie die Branche hier gemeinsam vorgehen könnte, gibt es in Österreich allerdings noch nicht. Freiwilliger Standard Aktuell lohnt sich daher ein Blick zu unseren deutschen Nachbarn, wo man mit der Lösung des Problems bereits etwas weiter ist. Die Branchenverbände der Fondsgesellschaften (BVI), Banken (DK) und Zertifikatehäuser (DDV) haben sich gemeinsam mit der Finanzaufsicht Bafin auf ein „ESG-Zielmarktkonzept“ geeinigt. Dieses gibt ein Raster vor, in das die Anbie- ter ihre Produkte auf Basis verschiedener Kriterien einsortieren können. Das soll den Beratern und Vertrieben die Arbeit erleich- tern, liefert das Konzept doch gewisser- maßen eine Vorauswahl, an der sie sich bei der Produktselektion orientieren können. „Uns war zum einen wichtig, ein Konzept zu entwickeln, das produktübergreifend funktioniert, also nicht nur für Fonds, sondern auch für Zertifikate und Anlei- hen“, erläutert BVI-Rechtsexpertin Anna Niemitz. „Zum anderen war unser Ziel, ein gemeinsames Verständnis zu ent- wickeln, welche Anforderungen an Pro- dukte zu stellen sind, wenn ein Anleger Nachhaltigkeitspräferenzen äußert. Es hilft den Kunden nichts, wenn beispielsweise die Sparkasse vor Ort mit völlig anderen Definitionen arbeitet als die benachbarte Geschäftsbank.“ Hierzulande dürfte zumindest ein ähn- liches Konzept in Vorbereitung sein, so erklärt Dietmar Rupar, Generalsekretär der Vereinigung der österreichischen Fondsge- sellschaften: „Dieses wird im Rahmen der WKO-Bundessparte Bank und Versiche- rungen gerade abgestimmt.“Genaueres war Mitte März allerdings noch nicht zu erfah- ren. Beim Fachverband der Finanzdienst- leister hat man bereits vor einiger Zeit eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich intensiv mit der Umsetzung der kommen- den Pflichten beschäftigt. „Neben einer ,Nachhaltigkeitsinformation für Kunden‘ entstehen ein Leitfaden zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen gemäß Mifid II und IDD sowie ein Katalog an Praxisfragen und Antworten. Ein erster Entwurf ist fer- tig, wir gehen davon aus, dass wir die finale Fassung im Mai oder spätestens im Juni veröffentlichen werden können“, beschreibt Fachgruppengeschäftsführer Thomas Moth die aktuellen Bemühungen. Von einer Verschiebung des Anwen- dungszeitpunkts gehen die Teilnehmer der Arbeitsgruppe, unter ihnen auch Privat- consult-Geschäftsführer Stefan Ferstl, im Moment jedenfalls nicht aus: „Aktuell deutet alles darauf hin, dass die Umsetzung mit 2. August erfolgen wird, wir bereiten uns dementsprechend vor.“ Die Marktteil- nehmer sollten sich also auf die neuen Regeln einstellen, und ein „ESG-Zielmarkt- konzept“ nach deutschen Vorbild sollte möglichst rasch auch hierzulande umge- setzt werden. Denn bestehende Kunden sind laut ESMA „bei der nächsten regel- mäßigen Aktualisierung der Kundenin- formationen oder beim ersten Treffen mit dem Kunden bei der ersten Anlagebera- tung nach dem Inkrafttreten“ der neuen Pflichten zu befragen. Sobald also ab dem 2. August eine Wertpapierdienstleistung erbracht wird, muss die Abfrage erfolgen. Portfolioverwalter Zeitlich deutlich stärker unter Druck stünden übrigens die Portfolioverwalter. So erklärt Dolezal: „Für Portfolioverwalter stellt bereits jede Veränderung eines Kun- denportfolios im Rahmen des Asset Managements das Erbringen einer Wert- papierdienstleistung dar. Daher sind Port- folioverwalter nur auf der sicheren Seite, wenn ihnen die Nachhaltigkeitspräferen- zen der bestehenden Kunden bereits am 2. August 2022 vorliegen, also wenn sie diese vorsorglich im Juni oder Juli einge- holt haben.“Wie das in der Praxis aussehen soll, ist noch offen. GEORG PANKL FP Andreas Dolezal , Compliance-Experte: „Banken, Versicherungen und Wertpapierunternehmen werden ihre Vertriebspartner entsprechend schulen müssen.“ Thomas Moth , Wirtschaftskammer: „Wir arbeiten derzeit an einem Leitfaden zur Abfrage der Nach- haltigkeitspräferenzen.“ fondsprofessionell.at 1/2022 265 FOTO: © WKO, DOLEZAL

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