FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2022

Zinsänderungen verwundbar, weil sie kei- ne langfristigen Fixzinsbindungen abge- schlossen haben. Zweitens wird ein großer Teil der neu vergebenen Immobilienkredi- te weiterhin mit „überhöhten“ Schulden- dienst- und Beleihungsquoten vergeben. „Der FMSG-Leitlinie zur nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wird nicht in ausreichendemAusmaß entsprochen“, heißt es in den jüngsten Veröffentlichungen. Billige Kredite Nach OeNB-Angaben stiegen die Wohn- baukredite an private Haushalte im Jahr 2021 bei unveränderten Vergabekriterien der Banken deutlich. Bis September lagen die Kreditzusagen bereits um 6,8 Prozent über dem Vorjahreswert. Die durchschnitt- lichen Kreditzinsen für private Käufer lagen 2021 nur bei 1,20 Prozent und damit um gut zehn Basispunkte unter demWert des Vorjahres. Auch im vierten Quartal 2021 und im Jänner 2022 verharrten die Zinsen auf diesem niedrigen Niveau. „In- zwischen sind aber die variablen und fixen Zinsen im Schnitt um 0,5 Prozent nach oben gegangen“, berichtet Finanzierungs- berater Alfred Spitzer, Geschäftsführer der Treffpunkt-Finanzieren GmbH & Co. KG. Der Blick aufs Ganze offenbart, warum die billigen Kredite ein großes Risikopo- tenzial verursacht haben: Das Volumen der privaten Wohn- baukredite beläuft sich zurzeit auf mehr als 450 Milliarden Euro. Die Zinsausgaben im Verhältnis zum verfügbaren Haushaltseinkommen befin- den sich seit Jahren konstant unter drei Prozent. Allerdings liegt der Anteil der variabel verzinsten Kredite, die ein erhebliches Zinsänderungs- risiko tragen, bei 40 bis 45 Prozent. Und das obwohl die Kreditbelastung seit Jahren kontinuierlich steigt.Mussten die Schuldner vor zehn Jah- ren noch deutlich weniger als die Hälfte ih- res Einkommens über den Kredit aufbrin- gen, sind es jetzt schon etwa 56 Prozent. Einkommensverluste und Inflation sind Gift für diese Gemengelage. „Die Inflation spielt bei einem durchschnittlichen Kredit- nehmer eine große Rolle.Wenn die Gehäl- ter nicht im Ausmaß der Inflation erhöht werden, hat der Arbeitnehmer de facto von Jahr zu Jahr weniger Verdienst, und die Rückführbarkeit des Kredits wird dadurch erschwert“, erklärt der Öko-Wohnbau-Ge- schäftsführer und frühere Banker Christian Klier. Handlungsbedarf bei Krediten Experten befürchten angesichts des Finan- zierungsvolumens zu Recht, dass größere Kreditausfälle die Finanzmarktstabilität in Österreich gefährden würden und dass eine Immobilienkrise negative Auswirkun- gen auf das Finanzsystem und die Realwirt- schaft haben könnte. Der Europäische Rat für Systemrisiken, die OECD und das FMSG drängen seit Monaten darauf,Maß- nahmen dagegen zu ergreifen. Das FMSG fordert die FMA auf, der laxen Kreditver- gabe im Rahmen der im Bankwesengesetz ohnehin verankerten Interventionsmög- lichkeiten einen Riegel vorzuschieben. Dazu heißt es: „Konkret empfiehlt das FMSG der FMA, eine maximale Beleihungs- quote in Höhe von 90 Prozent, eine Schulden- dienstquote in Höhe von 40 Prozent und eine Laufzeitbeschränkung in Höhe von 35 Jahren zu verordnen. (…) Die bestehende Leitlinie zur nachhaltigen Immobilienkreditvergabe an private Haushalte wird um eine Begrenzung der Schuldendienstquote in Höhe von 30 Prozent für Kre- dite mit einer Laufzeit von über fünf Jahren ergänzt, wenn die Zinsbindung kürzer als die Hälfte der Laufzeit des Kredits ist.“ Da die FMA die Markt- entwicklung selbst kritisch sieht, war Ende des vergan- genen Jahres zu erwarten, dass die Kreditkriterien bis Mitte dieses Jahres ver- schärft werden. Institutionelle Branchen- vertreter bewerten die Lage nicht so dramatisch. „Wir Wohnimmobilienpreisindex Die Kaufpreise für Wohnimmobilien sind in ganz Österreich drastisch gestiegen. Das gilt für Wohnungen und für Häuser. Quelle:OeNB I 2020 I I I I I 2015 I I I I I 2010 Wien Österreich (ohne Wien) Österreich 142 121 127 298 247 259 2000 = 100 Punkte » Die Inflation spielt bei einem durchschnitt- lichen Kreditnehmer eine große Rolle. « Christian Klier, Öko-Wohnbau fondsprofessionell.at 1/2022 163 FOTO: © ÖKO-WOHNBAU

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