FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2021

noch ganz anders. Damals habe ich vor einem unserer großen französischen Kun- den einen Vortrag über ESG gehalten und gesagt, dass man in ein paar Jahren nicht mehr fragen wird, wie viele nachhaltige Produkte eine Fondsgesellschaft hat, son- dern wie viele ihrer Produkte noch nicht ESG-integriert verwaltet werden. Damals haben mir die Leute nicht geglaubt. Das wäre heute kaum denkbar. Wie ist die Situation bei Carmignac? Bis Ende dieses Jahres werden 90 Prozent unserer Produkte einer Kategorisierung nach Artikel 8 oder 9 der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzen entsprechen. Sie sehen, dass wir es mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst meinen. Gleichzeitig bleiben wir bescheiden, denn es liegt noch ein langer Weg vor uns. Aus meiner Sicht bietet gerade der ESG-Aspekt unserer Branche, die oft als übermäßig gierig angesehen wurde, eine fantastische Gelegenheit zu beweisen, dass wir bereit sind, einen positiven Beitrag zur Bekämp- fung des Klimawandels zu leisten. Wie muss man sich das in der praktischen Arbeit eines Fondsmanagers vorstellen? Wir konnten im Oktober 2020 die voll- ständige Integration relevanter ESG-Krite- rien in unser Portfoliomanagementsystem über ein System namens START abschlie- ßen. Es basiert auf quantitativen Daten aus acht externen Quellen von entsprechenden Ratinganbietern. Aus diesen Daten extra- hiert das System insgesamt 31 Kriterien für ein Unternehmen, anhand derer sich ein Fondsmanager einen Überblick über des- sen Nachhaltigkeit verschaffen kann. Dann ist die qualitative Bewertung notwendig, die der Fondsmanager selbst vornimmt. Denn er spricht mit demManagement der Unternehmen, ihren Konkurrenten und Zulieferern sowie mit externen Beratern, um letztlich die Entscheidung für oder gegen eine Investition unter ESG-Gesichts- punkten zu treffen. Was können Sie uns über die weiteren Pläne von Carmignac, insbesondere in Deutschland und Österreich, sagen? Unser Frankfurter Team, das von Nils Hemmer geleitet wird, besteht mittlerweile aus neun Mitarbeitern. Der österreichische Markt wird auch von dort aus betreut.Wir haben langjährige Verbindungen zu unab- hängigen Beratern, regionalen Banken und Versicherern und sind bestrebt, diese best- möglich zu betreuen. Darüber hinaus ha- ben wir einen neuen Bereich etabliert, den wir Fund Buyer Business nennen. Darun- ter verstehen wir die Verbindungen und Partnerschaften mit Vermögensverwaltern und Dachfondsmanagern, aber auch mit Vorsorgeeinrichtungen wie Pensionskassen. Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass wir unsere Präsenz in den beiden für uns sehr wichtigen Märkten nicht nur festigen, son- dern auch weiter ausbauen können. Zum Schluss ein Wort zu Ihrer persönli- chen Zukunft. Haben Sie schon entschie- den, wann Sie die Nachfolge Ihres Vaters als CEO von Carmignac antreten werden? Ich bin oft mit meinem Vater in Europa unterwegs, ummit Kunden und Vertriebs- partnern zu sprechen. Und er erstaunt mich immer wieder mit seiner Ausdauer, die er auf solchen Reisen an den Tag legt. Ich lerne jeden Tag von ihm, von seiner Führungskraft, seiner Energie, seinem Streben nach Leistung. Deshalb stellt sich diese Frage für mich noch gar nicht. Und ich wünsche uns beiden, dass dies noch möglichst viele Jahre so bleibt. Vielen Dank für das Gespräch. HANS HEUSER FP KURZ-VITA: Maxime Carmignac Seit 2013 leitet Maxime Carmignac die Londoner Nieder- lassung des französischen Asset Managers. Sie steht zudem dem Strategischen Produktkomitee vor und ist für die Weiterentwicklung der ESG-Strategie verantwortlich. » Wir versuchen nicht, jeden Produkttrend, der in der Branche auf- kommt, mitzumachen. « Maxime Carmignac, Carmignac UK fondsprofessionell.at 4/2021 195

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