FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

Es wäre auch anders gegangen. Eine Son- derregelung, die in erster Linie den dezen- tralen Sektoren (Raiffeisen, Sparkassen, Volksbanken) nutzt, erlaubt ein Ausscheren aus der ESA-Beteiligung: Gruppen mit einem eigenen institutsbezogenen Siche- rungssystem (IPS, Institutional Protection Scheme) können dieses als Einlagensiche- rung anerkennen lassen. Ein IPS ist eine von der Aufsicht genehmigte Risikovorsor- ge- und Haftungsgemeinschaft, die ein- greift, noch bevor es zu einem Einlagensi- cherungsfall kommt. Von dieser Möglich- keit machte bereits bisher die Sparkassen- Erste-Gruppe Gebrauch: Der Sektor trat nicht der ESA bei, sondern stand weiter selbst für die Einlagen seiner Kunden ein. Keine Eintracht Die genossenschaftliche Konkurrenz ver- fügte zwar seit 2014 ebenfalls über eigene IPS (siehe Kasten), es haperte aber bei der nötigen Eintracht. Insbesondere die große Oberösterreichische Landesbank war gegen eine eigene Sicherung. Voraussetzung, damit ein IPS als Ent- schädigungseinrichtung genehmigt wird, ist unter anderem ein Marktanteil von 15 Pro- zent bei den Einlagen. Auch sonst ist enge Kooperationsbereitschaft gefragt: Vor allem muss in einem IPS eine gemeinsame Ri- sikobetrachtung vorgenommen werden. Eine solche „Vergemeinschaftung“von Risi- ken bereitet eingefleischten Genossenschaf- tern jedoch Unbehagen, da sie ja nach dem Grundsatz „Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung“handeln.Gleich- zeitig verschlingt ein IPS nicht wenig Geld. Die RLB-Niederösterreich-Wien verbucht zum Beispiel im Geschäftsbericht 2020 einen Betrag von 43,5 Millionen Euro an Treuhandforderungen für Bundes- und Landes-IPS.Und so überrascht es nicht, dass dieses sektorale Sicherungsmittel in den vergangenen Jahren nur bedingt Zuspruch erfuhr: Zwar beteiligten sich alle acht Lan- desbanken an einemHaftungsverbund auf Bundesebene (B-IPS), auf Landesebene aber – also zwischen Primärbanken und RLBs (L-IPS) – verzichteten Salzburg und Kärnten ganz. In Niederösterreich wie- derum gab es zwar ein L-IPS, aber vier Raikas wollten nicht mitmachen. Zwei Bankpleiten später sollte sich dieser mangelnde Wille zur Geschlossenheit als kostspielig erweisen. ImMärz 2020 musste die Anglo Austrian AAB Bank (Ex-Meinl- Bank) ihre Pforten schließen.Das löste erst- mals nach fast zwei Jahrzehnten einen Ein- lagensicherungsfall in Österreich aus. Aller- dings war dieser mit rund 60 Millionen Euro an sicherungspflichtigen Assets noch vergleichsweise moderat. Ein viel größerer Brocken wurde unmittelbar darauf im Juli nach Auffliegen des Bilanzbetrugs bei der Commerzialbank Mattersburg fällig. Die ESA musste die Commerzialbank-Sparer mit rund 490 Millionen Euro entschädi- gen.Davon stammten allein 220 Millionen Euro aus der großen Raiffeisengruppe. Bit- ter für einen Sektor, der aufgrund interner Risikokontrollen und gegenseitiger Unter- stützungen den Eintritt eines Sicherungs- falls bei einem eigenen Mitglied seit jeher zu verhindern wusste. Wechsel genehmigt Damit war offenbar der Leidensdruck für die einzelnen Genossenschafter aus- reichend, um ihr Souveränitätsdenken hint- anzustellen. Man wolle nicht mehr für Institute aus anderen Sektoren einstehen, heißt es seither einhellig. Nur ein halbes Jahr nach der Commer- zialbankpleite – imDezember 2020 – stell- » Es ist natürlich eine verschärfte aufsichts- rechtliche Änderung. Da kann jeder frei entscheiden. « Raiffeisenbankengruppe IPS: Vorteile bei der Eigenkapitalanrechnung IPS (Institutional Protection Schemes) sind Haftungsvereinbarungen, die für eine Locke- rung der strengen Eigenkapitalvorschriften in den dezentral organisierten Sektoren (Raiffeisen, Volksbanken, Sparkassen) sorgen. Der Hinter- grund: Gemäß den Basel-III-Regeln müssen Ban- ken, wenn sie ihre Eigenmittel darstellen, davon jene Anteile abziehen, die sie an anderen Institu- ten halten. Das verursacht in den dezentralen Sektoren Probleme, in denen die kleinen Primär- banken typischerweise an den jeweils höheren Ebenen beteiligt sind – und das oft in großem Ausmaß. In Österreich waren die dezentralen Strukturen generell von dieser Abzugspflicht befreit. Die EU- Regulatoren hingegen gewährten ab 2014 die Abzugsbefreiung nur mehr jenen Banken, die zu einem Institutssicherungssystem (IPS) gemein- sam hafteten. Wer in einem IPS ist, darf also seine Beteiligung an den Sektorinstituten weiter als Eigenkapital angeben. Am Raiffeisensektor wurden die IPS im Jahr 2014 zweistufig eingeführt: In einem Bundes-IPS (B-IPS) hafteten alle acht Raiffeisenlandesbanken (RLBs) und die RBI. Auf Landesebene gab es hin- gegen nur sechs L-IPS zwischen RLB und den Primärbanken: Salzburg und Kärnten hatten ge- schlossen kein L-IPS. In Niederösterreich machten vier der rund 60 Raikas nicht mit. Ein IPS sieht Kontrollmechanismen vor und soll noch greifen, bevor ein Einlagensicherungsfall eintritt. Abhängig war die Beteiligung an den IPS sehr stark davon, wie nötig die jeweiligen Banken die Eigenmittel hatten. Einige Primärbanken hätten ohne die IPS-Befreiung wohl Probleme bekom- men, die gesetzlichen Eigenmittelquoten zu er- füllen – auch wenn es am Raiffeisensektor offi- ziell gern heißt, die IPS seien aus Gründen der Markenstärkung eingerichtet worden. fondsprofessionell.at 3/2021 245

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