FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

Die Wurzeln reichen zur großen Finanzkri- se zurück.Die Fed erlaubte seither zu lange eine lockere Geldpolitik. Damit erschuf sie – wie auch die Europäische Zentralbank – gigantische Blasen bei Vermögenswerten. Nun sind die Zentralbanken darin gefangen – ohne Ausweg. Sie müssen das Kursniveau hoch halten, sonst würde es zu einer defla- tionären Krise kommen. Die Währungs- hüter ließen die Stützräder viel zu lange am Fahrrad montiert. Nun kommt der Fahrradfahrer nicht mehr ohne sie aus. Wo führt das letztendlich hin? Leider beobachten wir ein erstes Glimmen einer Zerrüttung der Gesellschaft. Die lockere Geldpolitik verstärkt die Ungleich- heiten.Die Vermögenden werden noch rei- cher, denn sie besitzen die Vermögenswer- te, deren Preise steigen: Aktien, Anleihen, Immobilien. Der ärmere Teil der Gesell- schaft fällt im Zuge der fallenden Zinsen hingegen zurück. Viele Menschen fühlen sich benachteiligt. Eine sehr düstere Perspektive. Es gibt auch positive Aspekte. Dank der Globalisierung stiegen der Wohlstand und der Lebensstandard in den Schwellenlän- dern erheblich. Vielen Menschen geht es deutlich besser. EinWeltuntergangsszenario liegt also noch in weiter Ferne. Der Kapitalismus funktioniert also? Meiner Meinung nach gibt es zu wenig Kapitalismus. Denn ein Kernelement des Kapitalismus ist das Scheitern, sprich die Pleite. Leider grassiert unter Notenbankern die Vorstellung, dass Rezessionen schlecht sind. Nein, das sind sie nicht. Sie wirken gleichsam reinigend für das gesamte Sys- tem. Überschuldete und schlecht geführte Unternehmen scheiden aus. Dies schafft Raum und Kapazitäten für neue unterneh- merische Ideen, und die Volkswirtschaft steht danach auf einer gesünderen Basis. Wie investieren Sie in so einemUmfeld? Die Grundlagen des Investierens haben sich drastisch gewandelt. Als ich 1997 bei Jupiter begann, drehte sich alles um die Fundamentaldaten von Unternehmen. Heute geht es darum, ob Notenbanken ein Auffangnetz geknüpft haben. Fundamen- tal gesehen gibt es wenig Gründe, optimis- tisch für Unternehmensanleihen zu sein. Dennoch investiere ich dort, denn tech- nisch spricht durch die Zentralbankpolitik viel dafür. Denn neben der EZB kauft ja nun auch die Fed Unternehmensanleihen. Wo genau sehen Sie Chancen? Der Markt für Hochzinsanleihen ist ein Minenfeld. Hier finden sich viele zyklische Firmen. Wir picken stabile Geschäftsmo- delle wie Kabelnetzbetreiber oder Lebens- mittelproduzenten heraus. Neben diese renditeträchtigeren, aber riskanteren Invest- ments stellen wir US-amerikanische und australische Staatsanleihen. Sie dienen als Absicherung für erneute Krisen. Zudem wird die Nachfrage nach sicheren Anlagen die Renditen der Bonds weiter drücken und die Kurse steigen lassen. Ein weiteres wichtiges Element ist Gold. Dies decken wir über Anleihen und Wandelanleihen von Minenbetreibern ab. Eine der Wandel- anleihen wird konvertiert und damit hal- ten wir erstmals Aktien im Fonds – was wir auch dürfen. Und sollte die Welt tat- sächlich einmal den Weg Richtung Schul- denmonetarisierung einschlagen, kann sich der Goldpreis rapide vervielfachen. SEBASTIAN ERTINGER KURZ-VITA: Ariel Bezalel Bereits 1997 stieß Ariel Bezalel zum britischen Fondshaus Jupiter Asset Management. Ein Jahr später trat er dem Anleihen- und Mischfondsteam der Gesellschaft bei. 2000 übernahm er seinen ersten Fonds. Den britischen Jupiter Strategic Bond Fund steuert er seit der Gründung 2008 ebenso wie das im Jahr 2012 aufgelegte Luxemburger Pendant, den Jupiter Dynamic Bond. Bezalel studierte Wirt- schaftswissenschaften an der Universität von Middlesex. FP » Die Währungshüter ließen die Stützräder viel zu lange am Fahrrad montiert. Nun kommt der Fahrradfahrer nicht mehr ohne sie aus. « Ariel Bezalel, Jupiter MARKT & STRATEGIE Ariel Bezalel | Jupiter FOTO: © AXEL GAUBE 92 fondsprofessionell.at 4/2020

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