FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

turpaket auf die Beine zu stellen. Die Fi- nanzmärkte sind wie ein Drogensüchtiger. Sie sind abhängig von Stimulierungsmaß- nahmen.Wenn sie diese nicht bekommen, ist das wie ein kalter Entzug. Wie lange werden die Geldspritzen der Notenbanken noch wirken? Wir sind in einer Welt des ewigen Quanti- tative Easing angelangt. Auf eine Maßnah- me folgt die nächste. Ich vertrete da eine kontroverse Meinung: Meiner Ansicht nach wirken die Lockerungen nicht so, wie die meisten Menschen denken. Die gängi- ge Vorstellung ist: Zentralbanken drucken Geld, pumpen es ins System und dort bahnt es sich seinen Weg zu Risikoanlagen. Dies setze eine Art reflationärer Impulse. Meiner Meinung nach ist diese Vorstellung völlig falsch. Ein Blick nach Japan zeigt: Die Zentralbank verfolgt seit Jahrzehnten eine lockere Geldpolitik, dort gibt es kei- nerlei Anzeichen für eine Inflation. Auch in den USA, wo die Notenbank Fed seit gut zehn Jahren immer wieder eine lockere Geldpolitik einschlägt, lassen sich keine inflationären Tendenzen beobachten. Aber was bewirkt die lockere Geldpolitik dann? Sie schafft ein deflationäres Umfeld und führt zu immer niedrigeren Zinsen. Dies ermutigt Investoren, immer riskantere Investments zu tätigen. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind meines Erach- tens sehr gering. Denn das Geld, das die Fed an die Banken ausreicht, parken diese wiederum bei der Zentralbank und rühren es nicht an. In Wahrheit entzieht die Fed dem System damit Liquidität und fügt keine hinzu. Das ist sozusagen der große Zaubertrick der Zentralbanken: Wie David Copperfield wecken sie die Illusion, dass sie Geld drucken – das tun sie aber faktisch gar nicht. Das ist schlichtweg Unsinn. Was soll der Trick bewirken? Die Notenbanken versuchen mit Ankündi- gungen und Absichtserklärungen, inflatio- näre Impulse heraufzubeschwören. Doch das funktioniert nicht. Das zeigt das Bei- spiel Japan. Und auch in Europa, wo die Europäische Zentralbank schon seit län- gerer Zeit Unternehmensanleihen kauft, bleiben die deflationären Tendenzen intakt. Die Notenbanken tun den Volkswirtschaf- ten keinen Gefallen. Haben die Währungshüter ihre Werkzeuge ausgeschöpft? Die lockere Geldpolitik erreicht ihre Gren- zen. Dennoch werden die Notenbanken versuchen, die Grenzen auszuweiten. Die Politik wiederum wird zu Konjunktur- paketen greifen. Im Zuge dessen tauchen Konzepte wie die „moderne Geldmarkt- theorie“, die Modern Monetary Theory, häufiger in der Diskussion auf. Derzufolge würden die Zentralbanken die Staatshaus- halte finanzieren. Allerdings stehen die heute gültigen Regeln der Umsetzung sol- cher Ideen noch entgegen. Was wäre die Alternative zu der lockeren Geldpolitik gewesen? » Die Finanzmärkte sind wie ein Drogensüchtiger. Sie sind abhängig von Stimulierungsmaßnah- men. Wenn sie diese nicht bekommen, ist das wie ein kalter Entzug. « Ariel Bezalel, Jupiter fondsprofessionell.at 4/2020 91

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