FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

Wir müssen sicher das Thema „Financial Literacy“ ansprechen. Viele Leute fühlen sich nicht genug informiert, um in den Ka- pitalmarkt zu gehen. Ich denke, Asset Ma- nager versuchen ihr Bestes, nützliche Infor- mation zu liefern. Meistens besteht der Kontakt ja nur indirekt über die Bank, den Berater oder Altersvorsorgeeinrichtungen. Es liegt daher auch viel am Vertrieb, die Be- ratungsqualität zu erhöhen. Aber natürlich sind auch wir Teil des intermediären Ge- schäfts und müssen uns dieser Diskussion stellen. Die Qualifikation der Berater und vor allem die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus werden ja auch im Aktionsplan ausdrück- lich angesprochen. Verbesserungsvor- schläge sind aber eher unspezifisch. Den- ken Sie, in einer Kapitalmarktunion sollte es ein einheitliches und EU-weit verpflich- tendes Label für den Vertrieb gewisser Produkte geben? Ich glaube definitiv, dass man mehr auf die Qualifikation der Finanzberater schauen muss. Ich wäre nur vorsichtig, sie in ein zu enges Korsett zu pressen. Ein einheitliches Konzept für alle birgt das Risiko, dass die Beratung weniger verfügbar oder teurer wird.Wenn man sehr lange Qualifikations- programme durchlaufen muss,werden sich die Kosten der Beratung erhöhen. Die EFAMA schlägt ein „Dashboard“ mit Schlüsselindikatoren vor, um den Fort- schritt der Kapitalmarktunion zu messen. Umwas geht es da genau? Wenn wir eine gut funktionierende Kapi- talmarktunion wollen, ist es wichtig, ihren Erfolg bei den Retailinvestoren zu messen. Wir schlagen einen Indikator vor, der die „Kapitalmarktteilnahme“ verdeutlicht. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Quo- te, die das Verhältnis zwischen den inves- tierten Assets wie Fonds und dem Spar- anteil auf dem Bankkonto anzeigt. Glauben Sie, dass die Coronakrise die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten zu einer Kapitalmarktunion steigert? Die Covid-19-Krise könnte sich wirklich als Beschleuniger der Kapitalmarktunion er- weisen, weil der Bedarf an Investments steigt, um die Erholung der Wirtschaft vor- anzubringen. Allerdings müssen auch die Staaten ihre Rolle wahrnehmen. Etwa beim Pan-European Personal Pension Pro- duct, dem PEPP: Wenn wir wollen, dass dieses Produkt tatsächlich beim Zielpubli- kum ankommt, dann müssen die Länder Steueranreize schaffen. PEPP-Verträge müs- sen steuerlich zumindest genauso wie na- tionale Altersvorsorgeprodukte behandelt werden. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag ab Seite 240; Anm. d. Red.) Steuern sind ein Riesenthemamit Blick auf die Zukunft. Bei Umsatzsteuern gibt es eine EU-Regulierung, sonst nicht. Deshalb reden wir noch immer über Probleme wie die Quellensteuerrückerstattung. Werden wir eines Tages eine steuerliche Union haben? Ich hoffe sehr, dass Fortschritte gemacht werden, auch bei der Quellensteuerrück- erstattung. Sicher wollen da manche Mit- gliedsstaaten etwas weniger mitarbeiten, weil sie in den aktuellen Ineffizienzen kurzfristig eigene Vorteile sehen. Aufgrund der Gespräche, die wird dazu führen, den- ken wir aber, dass die Kommission sich bewegen wird. Wir unterstützen das auch mit praktischen Lösungsvorschlägen. Vielen Dank für das Gespräch. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Die Covid-19-Krise könnte sich wirklich als Beschleuniger der Kapitalmarktunion erweisen. « Vincent Ingham, EFAMA KURZ-VITA: Vincent Ingham Direktor für Regulierung beim europäischen Fondsverband EFAMA. Vincent Ingham ist seit 2009 für den Verband tätig. Davor war er sieben Jahre lang beim belgisch-niederländi- schen Asset Manager Fortis Investments. Der Jurist ist auf Finanz- und Unternehmensrecht spezialisiert. STEUER & RECHT Vincent Ingham | EFAMA FOTO: © EFAMA 246 fondsprofessionell.at 4/2020

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=