FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

gewinne nach Ablauf einer noch zu definie- renden Behaltefrist wieder entfallen.Wie ist der Zeitplan hierzu, und gibt es bereits Pläne bezüglich der Behaltefrist? Um den Bürgern den Einstieg und die Teilnahme am Kapitalmarkt zu erleichtern und private Initiativen zur Altersvorsorge zu unterstützen,müssen wir Anreize schaf- fen, damit die Menschen – gerade in Zei- ten der „Nullzinsen“ – ihr Geld auf dem Kapitalmarkt auch entsprechend anlegen können. Daher müssen – zusätzlich zum Sparbuch – alternative Anlageformen attrak- tiver werden. Daher haben wir im aktuel- len Regierungsprogramm vereinbart, eine Behaltefrist zu definieren, die dieses Ziel ge- währleistet. Denn uns ist wichtig, dass die zukünftige Befreiung Sparer unterstützt und nicht Spekulanten fördert. Derzeit liegt unser Hauptfokus natürlich auf der Bekämpfung des Coronavirus und der gezielten Unterstützung der Menschen so- wie der Wirtschaft. Wir werden uns aber Schritt für Schritt wieder jenen Fragestel- lungen widmen, die vor der Krise in Arbeit waren, diese evaluieren und ausgestalten. Ökologische und ethische Investments sollen künftig gar gänzlich kapitalertrag- steuerbefreit werden. Wann möchte man dies umsetzen? Die Förderung ökologischer und ethischer Investments ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Um dieses Ziel zu errei- chen, können auch steuerliche Maßnah- men einen Beitrag im Sinne der Nachhal- tigkeit leisten. Dies setzt in einem ersten Schritt aber voraus, dass ein einheitliches Verständnis darüber besteht, welche ob- jektiven Kriterien ein förderungswürdiges Investment erfüllen muss. Dazu braucht es – auch im Sinne der Rechtssicherheit von Anlegern und der mit dem Kapitalertrag- steuerabzug betrauten Stellen – einheitliche Standards. Was den zeitlichen Horizont betrifft, ist auch hier festzuhalten, dass aktuell die Bewältigung der Coronakrise absolute Priorität hat. Über die Bundesfinanzierungsagentur woll- te man auch „Green Bonds“ auflegen. Bisher gab es hier allerdings noch keine Aktivitäten. In Deutschland ist die erste deutsche grüne Anleihe bereits erfolgreich gestartet.Wie sieht der Plan für Österreich aus? Die Vorbereitung einer grünen Anleihe ist ein komplexer Prozess. Er beinhaltet Kapi- talmarktaspekte, zudem müssen auch Fra- gen der ökologischen Mittelverwendung geklärt werden. Auch Deutschland hatte eine lange Vorbereitungszeit, und das Pro- jekt ist noch nicht abgeschlossen, da neben der bereits emittierten langfristigen Anleihe auch Emissionen immittelfristigen Bereich folgen sollen. Österreich verfolgt den Pro- zess in Deutschland intensiv und befindet sich in der Evaluierungsphase, um eine fundierte Entscheidung hinsichtlich mögli- cher Projekte, Kosten und Kapitalmarkt- konditionen treffen zu können. Immer mehr Anleger investieren ihr Geld anhand von ökologischen und sozialen Kriterien. Durch neue Regularien (EU-Ak- tionsplan) und steuerliche Anreize könnte sich dieser Trend nochmals deutlich be- schleunigen. Erste Experten warnen daher bereits vor einer Nachhaltigkeitsblase –wie schätzen Sie diese Gefahr ein? Eine Nachhaltigkeitsblase ist nicht zu er- warten, da auf europäischer Ebene die Produktgestaltung und die Transparenz im Sinne der Erreichung der Umweltziele des Pariser Abkommens gefördert werden. Eine einheitliche Taxonomie und Veröf- fentlichungspflichten wirken einemGreen- washing entgegen. Kürzlich haben Sie sich dem Thema Finanzbildung angenommen. Wie ist hier Ihr Plan, und was erhoffen Sie sich davon? Finanzbildung ist die Basis für einen modernen und wettbewerbsfähigen Wirt- schaftsstandort. Derzeit gibt es bei vielen Menschen große Unsicherheiten im Um- gang mit Finanzen, und das hat gravieren- de Folgen: 30 bis 40 Prozent der Ungleich- heiten bei der Altersvorsorge entstehen durch Unterschiede im Finanzwissen. Da- rüber hinaus fühlen sich 40 Prozent der jungen Erwachsenen nicht sicher genug, um den Kauf, die Miete oder das Leasing größerer Einkäufe zu tätigen. 34 Prozent aller österreichischen Haushalte sind gar verschuldet. Es braucht daher eine Gesamt- strategie zur Finanzbildung, die wir ge- meinsam mit den österreichischen Stake- holdern erarbeiten.Dabei geht es nicht nur um mehr Schulstunden, sondern um eine breite Wissensvermittlung.Wir wollen, dass die Österreicher gute Finanzentscheidun- gen treffen, individuell vorsorgen und mehr aus ihrem Geld machen können. Wir haben diesen Prozess jetzt gestartet und sammeln aktuell Stimmen unter- schiedlicher Stakeholder als Basis für eine nationale Strategie. Unterschiedlichste Initiativen haben sich in der Vergangenheit schon damit beschäftigt – mit bescheidenem Erfolg. Warum wird es Ihnen gelingen, hier eine nachhaltige Lösung zu finden? Obwohl es bereits viele Initiativen in die- sem Bereich gab und gibt, fehlt bisher eine gebündelte Strategie für Österreich. Unser Vorhaben besteht daher darin, gemeinsame Ziele zu definieren, vorhandene Ressour- cen bestmöglich einzusetzen, Doppel- gleisigkeiten zu vermeiden und Blind Spots zu erkennen. Es gibt viel Gutes,man muss das Rad nicht immer wieder neu erfinden. » Uns ist wichtig, dass die zukünftige Befreiung Sparer unterstützt und nicht Spekulanten fördert. « Gernot Blümel, Finanzminister STEUER & RECHT Gernot Blümel | Finanzminister FOTO: © BMF | MICHAEL GRUBER 236 fondsprofessionell.at 4/2020

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