FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

nen wir auch lesen, und da gibt es die Bestimmung, die besagt, die FMA haftet nicht. Man wird sich überlegen, diese Bestimmung zu hinterfragen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 3 im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz FMABG wird im Verfahren zu klären sein. Konnten Sie Einblick nehmen in die Bücher der Commerzialbank, und verstehen Sie, warum der Betrug so lang nicht entdeckt wurde? Die Bücher kann die ESA nicht direkt ein- sehen. Wir prüfen nur regelmäßig – auch vor Ort – die Datensätze der Banken, die wir im Sicherungsfall für die Auszahlung brauchen: Kunden- und Kontodaten.Diese müssen entsprechend aufbereitet, aktuell und richtig verknüpft sein. Darüber hinaus schauen wir uns verfügbare Informationen wie Jahresabschlüsse an. Aufgrund unserer Daten kann man zwar manches ansatz- weise nachvollziehen, etwa wie gewisse Buchungen stattgefunden haben, aber alles auf einem sehr niedrigen Level. Nicht so, dass man eine jahrelange Manipulation sehen hätte können. Würden Sie in Zukunft die Datensätze anders überprüfen? Auffälligkeiten gibt es vielleicht auch in rudimentären Daten. Nein. Nur die Qualität der Daten, die uns die Banken liefern, könnte manchmal besser sein, damit wir im Sicherungsfall rascher auf die Kunden zugehen können. Grundsätzlich passt unsere Überprüfung. Vor-Ort-Prüfung heißt, Sie prüfen unabhän- gig von der FMA, ob die Angaben mit den Unterlagen in der Bank übereinstimmen? Genau. Unser Team schaut sich das in Absprache mit der Bank im Kernbanken- system direkt an. Teils auch die Dokumen- tation: Wie sieht der Kundenakt dazu aus, was steht im Kontoeröffnungsvertrag, ist die Verknüpfung Kunde-Konto richtig? Wie tief überprüft man das? Kunde und Konto haben ja auch bei der Commerzial- bank nicht zusammengepasst. Das waren Kreditkonten, die interessieren uns als Einlagensicherung nicht. Die Ermittler gehen auch Geldwäschevor- würfen nach. Was passiert, wenn die ESA Geld ausbezahlt, bei dem sich später eine unlautere Quelle herausstellt? Würden Sie es als letzter Besitzer zurückfordern? Nein, rechtlich gesehen machen wir keine Auszahlung vom Konto, wir leisten eine Entschädigungszahlung.Wir können nicht im Kernbankensystem einzelne Kunden auf einen Geldwäscheverdacht prüfen. Es gibt Diskussionen auf EU-Ebene, wie die Einlagensicherungen künftig mit Geld- wäsche umgehen sollen.Nur da muss man ganz klar sagen, wenn man die ESAs ein- binden möchte, muss man sich von der vorgeschriebenen Auszahlung innerhalb von sieben Tagen verabschieden.Das schafft man nicht. Aktuell sind wir in Österreich keine Verpflichteten im Sinne des Finanz- markt-Geldwäschegesetzes,wo ja aufgezählt ist,wer die strengen Prüfpflichten einhalten muss. Selbstverständlich muss sich aber je- der Kunde uns gegenüber legitimieren. Bei der Commerzialbank gab es unge- wöhnlich viele Überbringersparbücher. Es gab Berichte, wonach nicht die ursprüng- lich Legitimierten eine ESA-Entschädigung beantragt haben. Ein Überbringersparbuch – also ein nicht auf Namen lautendes,mit einem Losungs- wort versehenes Sparbuch mit einem Guthaben von maximal 15.000 Euro – wird im Rahmen des Höchstbetrags von 100.000 Euro an jene Person entschädigt, die sich legitimiert, die Sparurkunde vor- legt, das Losungswort nennt und bestätigt, dass keine Rechte Dritter an diesem Spar- buch bestehen. Dass jemand 280 Über- bringersparbücher hat, wie bei der Com- merzialbank, ist selbstverständlich unge- wöhnlich. Gleichzeitig ist dies aber recht- » Ob die Haftungsfreiheit der FMA verfassungs- gemäß ist, wird im Ver- fahren zu klären sein. « Stefan Tacke, Einlagensicherung BANK & FONDS Stefan Tacke | Einlagensicherung FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN 224 fondsprofessionell.at 4/2020

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