FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

sichern, können – zumindest derzeit – die Flucht aus der klassischen Lebensversi- cherung nicht abfangen. Die Versicherer sind daher stark auf die anderen Sparten angewiesen. Chancen und Einbruch In gewisser Hinsicht hat die Pandemie diesen neuen Segmenten sogar Chancen eröffnet: So wurde der Zulauf zur Kran- kenversicherung deutlich angekurbelt, sagen mehrere Versicherer gegenüber der Redaktion. Die Kranken-Sparte hat seit einigen Jahren hohe Wachstumsraten, aller- dings von (noch) niedrigem Niveau aus. Hier sehen die Assekuranzen enormes Ver- kaufspotenzial – nachdem der Staat bei der Gesundheit zunehmend einspart. Einen „Corona-Push“ erhielten offenbar auch Cyberversicherungen. Durch ver- mehrtes Homeoffice rückte die digitale Verletzlichkeit in den Fokus.Donau-Chefin Judit Havasi hat daher etwa ungeachtet der turbulenten Phase die Angebotspalette er- weitert – auch um eine Cyberversicherung für medizinische Berufe. Generali-Vorstand Sima sieht ebenfalls eine starke Nachfrage bei Assistance-Leistungen (Hilfe bei Unfall, Reise, Haushaltsgebrechen etc.), Kranken- sowie Cyberversicherungen. Tatsächlich war aus Sicht der Versicherer auf die Schaden-Unfall- und die Krankensparte – im Unter- schied zum Bereich Leben – in letzter Zeit immer Verlass. Auch im von Corona stark be- troffenen Halbjahr gibt es ein Prämienplus: Der Bestand war durch das starke Geschäft der letzten beiden 2019er-Quartale und durch den guten Start ins Jahr 2020 noch so gut „unter- polstert“, dass der Einbruch beim Neugeschäft ab März nicht ins Prämienminus führte. Allerdings: Betriebswirt- schaftlich wird das Jahr 2020 vielerorts tiefrot enden. Denn die Aufwendungen sind gestiegen, die Er- träge gesunken. Laut jüngsten FMA-Zahlen müssen die Versicherer in den ersten sechs Monaten eine Halbierung des Finanzer- gebnisses (Kapital- und Zinserträge minus Aufwände) hinnehmen. Das Ergebnis ohne Sondereffekte und Steuern (EGT) ist um über 40 Prozent zum Vorjahr einge- brochen! Zu den Mehrausgaben gehört bei vielen übrigens auch das freiwillige Corona-Hilfs- paket: Die Betriebsunterbrechungsversiche- rungen der meisten Firmen deckten nach Ansicht der Assekuranzen die Pandemie nicht (ein Rechtsstreit ist anhängig). Nach Kritik leisteten viele Versicherer freiwillig Teilersatz für Verluste, die durch Staatshil- fen nicht gedeckt werden. Die Branche er- wartete Kosten von 100 Millionen Euro. „Wir wissen, dass etwa 50 Prozent der KMU das Angebot angenommen haben“, sagt VIG-Sprecher Wolfgang Haas. Er schätzt, dass die VIG davon knapp ein Vier- tel geleistet hat. Andere wollten sich dazu nicht äußern. Jedenfalls müssen die Versicherer froh sein, dass ihnen das Firmengeschäft bisher nicht weggebrochen ist. „Wir hatten im Fir- menkundengeschäft im ersten Quartal eine sehr starke Nachfrage und sind zuversicht- lich, dass die Prämien im laufenden Jahr zumindest stabil bleiben“, sagt Sonja Steßl, Vorstandsdirektorin Wiener Städtische. Ergo-Chef Wassenberg ist darüber eben- falls erleichtert – Gewerbekunden gehören nämlich auch zu seinem neuen Fokus. Das kürzlich konzipierte Produkt „Ergo fürs Gewerbe“ gehe zum Beispiel auf veränderte Deckungsbei- träge ein, was beim Geschäfts- einbruch heuer ein Vorteil sei, so Wassenberg. Branchenkolle- gin Steßl bestätigt aber gleich- zeitig auch die Vorsicht, von der vielfach zu hören ist. „Insol- venzen, Desinvestitionen und Umsatzrückgänge und damit die Berechnungsgrundlage umsatzabhängiger Prämien werden sich vermutlich auf die Prämienentwicklung im kom- menden Jahr auswirken“, gibt Steßl zu bedenken. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Insolvenzen werden sich auf die Prämien im nächsten Jahr auswirken. « Sonja Steßl, Wiener Städtische Prämien gut, Ergebnis bricht ein Erstes Halbjahr 2020 versus 1. HJ/2019. Die Prämien österreichischer Ver- sicherer liegen noch im Plus. Aber das Ergebnis ist hart getroffen. Quelle:FMA -1000 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 Kranken Leben Schaden/Unfall Mio. Euro Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Verrechnete Prämien -29,95 % -22,59 % * negatives Ergebnis von 52 Mio. € * +2,96 % +0,53 % +5,04 % FONDS & VERSICHERUNG Versicherungen nach Corona 176 fondsprofessionell.at 3/2020 FOTO: © WR. STÄDTISCHE

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