FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

Im Moment macht mir das keine Sorgen, die Kosten aus der Staatsverschuldung sind gering. Österreich steht im internationalen Vergleich gut da. Es geht ja nicht darum, die Staatsschulen als Ganzes zurückzuzah- len, aber man sollte in Richtung der 60 Prozent aus der Maastricht-Vorgabe steuern. Mehr Sorgen bereiten mir da die nächsten Jahre. Spätestens 2022 sollten wir wieder einen nachhaltigen Haushalt vorlegen. Gewöhnungseffekte bei den Unterneh- mern an Unterstützungen werden aber nicht so leicht zu durchbrechen sein. Dazu kommen Restkosten aus Covid, Investi- tionserfordernisse in Klimaschutz und Digitalisierung und die demografi D D sche Pro- blematik. Es wird zu Verteilungskonflikten kommen, die nicht leicht zu lösen sind. Heuer wurde der Eingangssteuersatz gesenkt. 2021 sollten die nächsten zwei Stufen folgen. Ist das jetzt noch drin? Wir liegen bei Steuern auf Arbeitseinkom- men im OECD-Vergleich sehr weit vorn. Es ist sinnvoll, Lohn- und Lohnnebenkos- ten zu reduzieren. Es gibt nie den idealen Zeitpunkt dafür. Ich hoffe, wir können das umsetzen. Die Frage wird sein, wie man das gegenfinanziert. Da gibt’s viele Mög- lichkeiten – andere Steuern, Ausgabenre- duktion. Wo ist das Sparen am sinnvollsten? Sparen kann man immer in einem Budget von 80 Milliarden Euro, ohne dass es große Effekte auf die Betroffenen gibt. Der Föde- ralismus ist ein Aspekt. Auch der Gesund- heitsbereich, hier sind Einsparungen ange- sichts der Pandemie jedoch politisch schwie- rig. Natürlich gibt es Bereiche, wo es nicht so schmerzfrei geht, etwa die Sozialausga- ben. Im Pensionsbereich ließe sich die Dy- namik bremsen.Man muss ja nicht immer gleich kürzen.Die Hacklerregelung, der ab- schlagsfreie Pensionsantritt nach 42 Jahren, da wissen wir, das geht in die falsche Rich- tung. Das Gleiche gilt für den Entfall der Wartezeit auf die erste Pensionsvalorisie- rung. Da reden wir gleich über einige hun- dert Millionen, die man sparen kann. Inwieweit verstärkt die Krise Ungleichhei- ten? Millennials etwa verdienen schon mal weniger als frühere Generationen, haben es schwerer, mit gut verzinsten Anlagen vorzusorgen. Nun sind sie als Jobanfänger mehr im Homeoffice, also weniger ange- bunden an inoffizielle Netzwerke, die für das Vorankommen oft entscheidend sind. Der Verteilungskonflikt zwischen Alt und Jung wird durch die Krise sicher manifest. Den werden wir politisch lösen müssen, den kann man nicht wegreden. Die Ten- denz bestand aber schon vorher. Die Jüngeren haben es etwas schwerer, als die, die in Zeiten höherer Wachstumsraten auf den Arbeitsmarkt gekommen sind. Es gibt Möglichkeiten, das auszugleichen, etwa über Investitionen in Bildung und Chan- cengleichheit. Was bleibt eigentlich von den Haltungsän- derungen während des Lockdowns: weni- ger Konsum, Deglobalisierung, Repatriie- rung der Produktion? Alles Utopie? Einiges davon war sicher romantische Vor- stellung. Wir wissen aber, dass Einschnitte im Leben dazu führen, dass angelegte Strukturveränderungen sich beschleunigen. Schon vorher haben Junge mehr Wert auf Work-Life-Balance gelegt. Die Globalisie- rung hat auch schon geschwächelt. Es gab mehr protektionistische Tendenzen. Die Regionalisierung wird sich aus dem Umweltschutzgedanken heraus möglicher- weise ebenso verstärken. Dazu kommt noch die Digitalisierung. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Es ist sinnvoll, Lohn- und Lohnneben- kosten zu reduzieren. Es gibt nie den idealen Zeitpunkt dafür. « Prof. Martin Kocher, IHS KURZ-VITA: Martin Kocher Seit 2016 Direktor des IHS Wien, seit Juni 2020 Präsident des Fiskalrates. Mehrere Professuren. Doktorat Volkswirt- schaftslehre (Finanzwissenschaft) bis 2002 an der Univer- sität Innsbruck. Danach Forschung und Lehre in mehreren Ländern Europas und in Australien. MARKT & STRATEGIE Prof. Martin Kocher | IHS FOTO: © GÜNTER MENZL 140 fondsprofessionell.at 3/2020

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