FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

führt, dass Strukturen beibehalten werden. Wenn ich Maßnahmen wie Kurzarbeiter- geld oder Fixkostenzuschüsse zu lange set- ze, ist die Gefahr, dass ich notwendige Strukturveränderungen verschleppe. Ab wann wären Staatshilfen ein Problem? Einen genauen Richtwert gibt’s nicht. Aber man hat schon gesehen, dass in Österreich und Deutschland diskutiert wird, wie lang Kurzarbeit sinnvoll ist. Der entscheidende Punkt ist: Verbinde ich das mit struktur- verändernden Instrumenten, mit teils ver- pflichtender Weiterbildung, Umschulung, Qualifikation? Wenn das nicht passiert, dann vergrößert man möglicherweise sogar das Problem, weil gewisse Fähigkeiten spä- ter eben nicht mehr nachgefragt werden. Man sieht bereits, dass die Arbeitslosen- zahlen recht langsam zurückgehen … Der Arbeitsmarkt wird uns neben den Unternehmensinsolvenzen in nächster Zeit am meisten beschäftigen. Strukturverän- derungen verfestigen sich hier immer sehr schnell. Arbeitslosigkeit wird zu Langzeit- arbeitslosigkeit. Wir sehen die Arbeitslo- senquote 2024 nach nationaler Definition immer noch bei acht Prozent. Im optimis- tischen Szenario liegen wir also immer noch höher als die 7,4 Prozent, die wir 2019 hatten. Das ist eine Herausforderung. Was macht man dagegen? Eine Mischung aus Maßnahmen bei Bil- dung und Unternehmen. Es wird aktive Arbeitsmarktpolitik brauchen, Arbeits- marktstiftungen, Lehrlingsstiftungen und zusätzliche spezifische Instrumente für jüngere und ältere Arbeitnehmer. Ich spre- che nicht für die „Aktion 20.000“, denn die war sehr spezifisch ausgestaltet. Aber etwas Ähnliches für Ältere werden wir sicher diskutieren müssen. Andere Strukturmaßnahmen aus dem Re- gierungsprogramm, etwa im Umweltbe- reich, geraten jetzt in den Hintergrund … Teilweise wurde schon etwas gemacht, etwa die Corona-Investitionsprämie, die umwelt- orientierte Investitionen fördert. Das wird nicht reichen, aber helfen. Es gibt aber andere Bereiche, die völlig aus dem Fokus verschwunden sind. Etwa die steigenden Kosten durch die Demografie: Pflege, Gesundheit, Pensionen. Das wird uns auch wieder beschäftigen müssen. Je länger man wartet, desto größer müssen die Maßnah- men und Einschränkungen sein. Politisch wird es dann schwieriger. Finanzminister Gernot Blümel erwartet nun für 2020 eine Neuverschuldung von 60 Milliarden Euro, 2021 von 16Milliarden. Gilt noch immer, dass die Staatsverschuldung heuer auf gut 80 Prozent steigt? Das hängt natürlich von der BIP-Entwick- lung ab. Aber es werden Ende des Jahres zwischen 80 und 85 Prozent sein. Also un- gefähr da, wo wir nach der Finanzkrise und dem Bankenrettungspaket waren. Wie schlimm ist das? Wir waren vorher ungefähr bei 70 Prozent und da immer nochweit entfernt vonMaastricht-Kriterien. » Wenn ich Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld oder Fixkostenzuschüsse zu lange setze, ist die Gefahr, dass ich notwendige Strukturveränderungen verschleppe. « Prof. Martin Kocher, IHS fondsprofessionell.at 3/2020 139

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