FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Man muss also damit rechnen, dass die eine oder andere Raika nach der Krise nicht mehr aufsperrt? Alexander Lippner: Ich glaube nicht, dass eine Bank nicht mehr aufsperren wird, die eine oder andere Filiale möglicherweise schon. Aber man muss sagen, es ist auch am Raiff- eisensektor in den vergangenen Jahren einiges passiert. Nur ist die Konsolidierung dem nicht geschulten Auge dort eher entgangen. Wie stark beschleunigt die Krise den Filialrückgang in Österreich? Alexander Lippner: Das Filialkonzept ist ohne- hin schon sehr in Veränderung. Was vor drei oder fünf Jahren noch üblich war, wird keine Zukunft haben. Meine These ist: Wenn sich ein größeres Institut in einem Bundesland anschaut, wie die Filialabdeckung in den ers- ten drei Krisenwochen funktioniert hat, wo aufgesperrt war, was das für das Geschäft be- deutet hat, wäre das einmal ein guter Fußab- druck, um die physischen Standorte zu be- trachten. Natürlich ist es nicht ganz fair, weil es in den letzten Wochen hauptsächlich um das Betreuungsgeschäft gegangen ist. Aber letztendlich wird die Mischung aus Online und Filiale Bestand haben, davon bin ich überzeugt. Noch ein Krisenaspekt betrifft etliche Regionalbanken: Die Aufsicht verlangt einen Dividendenstopp. Da fallen die Raiffeisenkassen und Raiffeisenlandes- banken um dieAusschüttungen um. Wird das zum Problem für manch ein Institut? Bernhard Gruber: Wir äußern uns hier zu- rückhaltend, weil wir in einigen Bereichen Prüfer sind. Aber man kann sagen, dass in der Vergangenheit insbesondere die Dividenden der RBI ein wesentlicher Einkommensbe- standteil anderer Sektoreinheiten waren. Vielleicht kann man es aus einem all- gemeineren Blickwinkel beantworten: Es sind ja europaweit die Aktienbesitzer betroffen. Die Aufsicht sagt den Banken: „Wir geben euch Kapitalerleichterung, dafür zahlt ihr keine Dividende.“ Aber ist es auch richtig, die Ausschüttung rückwirkend für 2019 auszusetzen? Bernhard Gruber: Eine schwierige Frage, weil das wirklich davon abhängt, auf welcher Seite man steht. Aus Sicht der Aufsicht, die bedacht ist, die Liquidität im Unternehmen zu halten, ist es ein gutes Zeichen. Für die Inves- toren hingegen bedeutet das, dass sie ihren Gewinn, den sie schon im Vorjahr erwirt- schaftet haben, nicht an ihre Anteilseigner ver- teilen dürfen. Wie geht es den Privatbanken? Da hat- ten viele schon vorher mit hohen Kosten beziehungsweise mit der Profitabilität ein Problem. Muss man sich um das eine oder andere Institut Sorgen machen? Bernhard Gruber: Die Provisionserträge aus der Vermögensverwaltung und aus demWert- papiergeschäft gehen natürlich zurück. So- wohl Volumen als auch Transaktionen haben sich in den vergangenen Wochen reduziert. Dafür haben die Privatbanken aber ein gerin- geres Kreditausfallsrisiko. Alexander Lippner: Es ist noch zu früh, um hier etwas zu sagen. Man muss zudem beden- ken, dass auch Universalbanken ein beträcht- liches Privatbankengeschäft haben. Ich denke, keine der soliden österreichischen Privat- banken sollte allein durch die vergangenen Wochen in Probleme geraten. Sicher war die Entwicklung nicht prickelnd, wenn hohe Aktienquoten in den Portfolios waren. Aber das sollte niemanden aus der Bahn werfen, der in diesem Geschäft tätig ist. Banken, deren Kostenstruktur in Ordnung ist und die schon davor ihre Kunden überzeugen konn- ten, dass Vermögenserhalt plus moderatem Zugewinn die langfristig richtige Strategie ist, die werden Bestand haben. Jene, die mehr auf Produktverkauf und optimierte Performance abgestimmt sind, werden eher Probleme haben, aber das war auch in der Vergangen- heit so. Nun gibt es seit April eine neue Retail- bank amMarkt. Was bedeutet es für die Bank99, genau zu dieser Zeit an den Start zu gehen? Alexander Lippner: Das habe ich mir auch gedacht. Aber nachdem die Entscheidung für den Launch schon letztes Jahr gefallen ist, war es konsequent, das durchzuziehen. Die haben das, so weit ich es sehen konnte, sehr gut gemacht. Ihr Fokus ist ein klares Segment: der Retailkunde, der einfaches unkompliziertes – und hoffentlich kostengünstiges – Banking will und der eine Mischung aus Onlinebank und physischer Repräsentanz ohne Schnick- schnack sucht. Dafür ist schon noch Platz. Darüber hinaus ist das Bankgeschäft ja Teil einer übergeordneten Post-Strategie, die die Postfiliale als Erlebniswelt sieht – Banking soll ein Teil davon sein. Foto: © MArlene Fröhlich Mag. Alexander Lippner Alexander Lippner, KPMG-Partner, Head of Advisory, ist auf den Bereich Financial Services spezialisiert und berät globale und regionale Banken und Ver- sicherungsgesellschaften. Seine Schwerpunkte lie- gen in der Unternehmens-, Vertriebs- und Opera- tionsstrategie sowie in digitalen Transformations- programmen. » Die Chance für Zugewinne ist bei den Fintechs geringer. Die müssen jetzt wahr- scheinlich eher schauen, wie sie ihre Finanzierungs- runden durchbringen. « Alexander Lippner, KPMG bank & fonds I bernhard gruber und alexander lippner | kpmg 242 www.fondsprofessionell.at | 2/2020

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