FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

den Büchern hatten. Diese Intrans- parenz haben wir im Moment nicht. Eine gewisse Gefahr gab es aber am Anfang, als EBA und EZB gesagt haben, dass die Spielräume bei den Rechnungslegungsstandards mög- lichst weit ausgelegt werden sollen – zum Beispiel, dass man längerfris- tige Betrachtungen zugrunde legen sollte. Weil dann das Misstrauen steigt, wenn man nicht genau weiß, wie riskant die Assets der anderen Banken sind? Bernhard Gruber: Genau. Wenn man die Spielräume zu weit aufge- macht hätte oder wenn man die Re- geln plötzlich nicht mehr so exeku- tiert, wie sie am Papier stehen, in dem vermeintlichen Glauben, die Banken zu schützen, wenn sie weni- ger Risikovorsorgen haben, dann hätte man genau diese Intransparenz gehabt. Kein Marktteilnehmer würde mehr wissen, ob die Risikovorsor- gen, die der andere hat, wirklich an- gemessen sind. Die deutsche Bafin hat sinngemäß ge- sagt: „Wir gehen mit unseren Lockerun- gen an die Grenze des Erträglichen.“ Das ist ein Signal, dass sich die Regula- toren der Gratwanderung bewusst sind. Bernhard Gruber: Man kann natürlich über einige Regeln, die nach der Finanzkrise ge- schaffen wurden, geteilter Meinung sein. Da hätte man zu einem Thema wie Mifid nicht zweitausend Seiten schreiben müssen, es wäre sich auch ausgegangen, die Anleger auf ein paar hundert Seiten zu schützen. Aber im Kern hatten all diese Regeln einen Sinn: näm- lich die Marktteilnehmer zu stärken und wi- derstandsfähiger zu machen. Einige Banken werden sich dennoch Hoffnungen auf eine bleibende Dere- gulierung machen. Wird es langfristig lockerer, oder sagen die Regulatoren: „Alles zurück!“, sobald die Situation besser wird? Bernhard Gruber: Eine wirkliche Deregulie- rung sehe ich momentan gar nicht. Bei den Bilanzierungsvorschriften haben wir den Auf- ruf der Aufseher, die Spielräume so weit wie möglich auszunutzen. Und bei den Eigen- kapitalvorschriften gibt es beispielsweise die temporäre Erleichterung, dass man Kapital- puffer unterschreiten darf. Das ist keine dauerhafte Deregulierung. Österreichs Bankensektor ist stark von dezentralen Strukturen geprägt – den Genossenschaften und Sparkassen. Was bedeutet die Krise für diese tief regional verankerten Banken, die in hohem Maß vom klassischen kleinteiligen Einlagen- Kreditvergabegeschäft leben? Alexander Lippner: Österreich ist zwar over- banked, aber die sektorale Struktur und die flächendeckende Betreuung, die hatte natür- lich jetzt schon ihre Vorteile. Ich glaube, dass gerade die lokalen und regional verankerten Banken, die eine Mischung aus gutem On- linevertrieb und einer persönlichen Vor-Ort- Betreuung haben, stark aus der Krise hervor- gehen werden. Der zweite Aspekt ist, dass die dezentralen Strukturen Kosten mit sich brin- gen. Die waren schon vor der Krise zu hinter- fragen. Und durch die Verschlechterung der Portfolios und die Erhöhung der Risikokosten werden andere Kosten herunterkommen müs- sen. Ich denke, es wird mehr Effizienz nötig sein, und der Konsolidierungsdruck steigt. Gibt es einen Sektor, der besonders be- troffen ist? Alexander Lippner: Die Volksbanken haben in den vergangenen Jahren schon stark re- strukturiert, sind zentraler geworden, wesent- liche Kosten wurden herausgenommen. Das haben die anderen beiden großen Sektoren teilweise noch vor sich. Wobei der Sparkas- sensektor hier etwas fortgeschrittener ist; der Raiffeisensektor ist sicher der am dezentrals- ten strukturierte Sektor – natürlich wegen der Besonderheit der Dreistufigkeit und der spe- zifischen Eigentumsverhältnisse. werden wesentlich steigen“ » Kein Marktteilnehmer würde mehr wissen, ob die Risikovorsorgen, die der andere hat, wirklich angemessen sind. « Bernhard Gruber, KPMG www.fondsprofessionell.at | 2/2020 241

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=