FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

von der Finanzanalyse abgedeckt werden.“ Je nach branchen- und unternehmensspezifi- schen Gegebenheiten könnten diese zusätzli- chen Faktoren das Ergebnis der Finanzanalyse erheblich beeinflussen, beispielsweise durch revidierte Umsatzprognosen, Margenannah- men, Vermögensbewertungen oder Abzin- sungsfaktoren. „Nachhaltiges Investieren bie- tet mehr Möglichkeiten, die Auswirkungen externer Effekte in die Unternehmensanalyse einfließen zu lassen“, sagt Rott. Sein Credo: „Nachhaltigkeit bedeutet Reaktions- und Anpassungsfähigkeit.“ Das sind ohne Zweifel zwei Eigenschaften, die sich in der aktuellen Krise ausgezahlt haben. Kein Wunder also, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den Chefetagen größer wird. „Dabei geht es nicht nur darum, Risiken zu vermeiden, sondern auch, Geschäftsmöglich- keiten ausfindig zu machen“, sagt Geir Lode, Head of Global Equities bei Federated Hermes. „Im jetzigen Umfeld ist es diese Art des Den- kens, die es Unternehmen ermöglicht, erfolg- reich zu sein.“ Er könne sich gut vorstellen, dass die jüngste Krise die Geschwindigkeit des Wandels beschleunigen wird – „und die Märk- te für veraltete, nicht nachhaltige Produkte und Dienstleistungen werden kleiner“. Anleger denken um Dabei findet nicht nur bei den Unterneh- men ein Umdenken statt, sondern auch bei vielen Anlegern. „Insbesondere beim Wie- dereinstieg in den Aktienmarkt werden sich Investoren wohl verstärkt die Frage stellen, ob Nachhaltigkeitsaspekte nicht noch stärker Eingang in die Allokationsentscheidung fin- den sollten“, sagt Bernhard Grünäugl, Leiter Investmentstrategie und ESG Research der Bayerninvest. Auch Paul Buchwitz, Fondsmanager der DWS, glaubt, dass sich der Nachhaltigkeits- trend beschleunigen wird. „Denn die Corona- krise wird meines Erachtens nach dazu füh- ren, dass sich der Fokus von Gesellschaft und Investoren weiter schärft – auf Themen wie Gesundheit, Klima und Bildung.“ Blackrock- Chef Larry Fink formuliert es in seinem jüngsten Aktionärsbrief so: „Wenn wir diese Krise überstanden haben und Anleger ihre Portfolios anpassen, haben wir die Möglich- keit, eine nachhaltigere Welt zu schaffen.“ Prioritäten abwägen Dass es diese Möglichkeit gibt, steht außer Frage. Ob sie genutzt wird, ist allerdings offen. Das zeigt sich am Klimaschutz. So sorgte etwa der Verfall des Ölpreises dafür, dass erneuerbare Energien zumindest zeitwei- se einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit ein- gebüßt haben, den sie sich über die vergange- nen Jahre erarbeitet hatten. Zudem ist klar, dass die Regierungen ihre milliardenschweren Konjunkturpakete nicht ausschließlich dafür einsetzen können, die Erderwärmung zu be- kämpfen. „Der Klimawandel kann in der Nachhaltigkeitsdebatte nicht länger eine Monopolstellung haben“, meint Iain Richards, Leiter Global Responsible Investment Policy bei Columbia Threadneedle. „Es wird vermut- lich eine neue Priorisierung sozialer Angele- genheiten geben, die nun auf der Agenda wei- ter oben stehen: Gesundheitsvorsorge, soziale Fürsorge, Arbeitsmarkt und Bildung.“ Die EU-Kommission hat im Dezember ihren „Green Deal“ vorgestellt. Ziel ist es, die Nettoemissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren, also ein klimaneutrales Europa zu schaffen. „Der Green Deal wird angesichts der Pandemie vor neuen Herausforderungen stehen“, erwartet Richards. Denn viele der von der Krise am schwersten getroffenen Branchen seien koh- lenstoffintensiv und zugleich wichtige Arbeit- geber. Die EU-Staaten stünden vor der Auf- gabe, ein aus wirtschaftlicher Sicht weiteres verlorenes Jahrzehnt zu vermeiden. „Der Green Deal bleibt wichtig und wird nicht ver- schwinden“, sagt Richards, „aber er muss ausbalanciert werden mit anderen sozialen Prioritäten und der Aufgabe, unsere Volks- wirtschaften zu stabilisieren.“ Markus Voigt, Chef der Aream Group aus Düsseldorf, die sich auf Investments in Solar- und Windkraftwerke spezialisiert hat, beob- achtet mit Sorge, wie sich manche Lobbyisten in Stellung bringen. „Das Coronavirus ist Quell vielen Übels und ein starkes Argument, mit dem fast alles durchgesetzt werden kann“, sagt er. „Die Betonkopf-Fraktion der Ver- schmutzungsindustrie will es jetzt instrumen- talisieren, um auch in Zukunft Dreck schleu- dern zu dürfen. Damit darf sie nicht durch- kommen!“ BERND MIKOSCH | FP » Beim Wiedereinstieg in den Aktienmarkt werden sich Investoren fragen, ob Nachhaltigkeitsaspekte nicht noch stärker Eingang in die Allokationsentscheidung finden sollten. « Bernhard Grünäugl, Bayerninvest ESG-Vorreiter versus ESG-Nachzügler Studie Invesco hat untersucht, wie sich Aktien von Unternehmen mit gutem ESG-Profil im Corona-Crash verhalten haben. Ein Team des US-Asset-Managers stellte verschiedene Portfolios zusammen, zum einen auf Basis eines aggre- gierten ESG-Wertes, zum anderen basierend auf den ein- zelnen Komponenten E, S und G sowie geläufiger anderer Indikatoren, die auf Aspekte wie die CO 2 -Intensität oder die Steuertransparenz der Unternehmen abstellen. Analyse Im zweiten Schritt untersuchte Invesco, wie Anleger ab- geschnitten hätten, wenn sie die 20 Prozent der Titel mit der besten Nachhaltigkeitsbewertung gekauft und zugleich das Fünftel der schlechtesten Unternehmen leer verkauft hätten. „Die Spreadrendite-Analyse zeigt, dass das ESG- Portfolio und die zugrunde liegenden Komponenten- portfolios in diesem volatilen Marktumfeld eine positive Rendite generiert haben“, teilt der Asset Manager mit. Einordnung Vor dem Hintergrund der heftigen Kursverluste und des extrem volatilen Marktumfelds in der heißen Phase der Krise sei das Ausmaß der Outperformance der ESG-Port- folios zwar „bescheiden“ ausgefallen. „Unsere Ergebnisse signalisieren aber, dass die Integration von ESG-Kriterien helfen kann, das Verlustrisiko eines Portfolios zu min- dern“, sagt Manuela von Ditfurth, Senior-Portfolio- managerin bei Invesco Quantitative Strategies. Foto: © La Française Asset Management Roland Rott, La Française Asset Management „Nachhaltig- keit bedeutet Reaktions- und Anpassungsfähigkeit.“ 208 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 esg-spezial I corona-pandemie

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