FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Rückblick hat sich das meiste davon nicht be- wahrheitet. Man neigt eben dazu, bestimmte Heilungskräfte erheblich zu unterschätzen. Denken Sie nur an die Maßnahmen, wie sie von Politik und Zentralbanken getroffen wur- den. Vor 15 Jahren hätte man sich nicht ein- mal träumen lassen, dass es zu solch massiven Eingriffen kommen würde, die dann aber letztlich den Pfad wieder deutlich zum Bes- seren, zum Positiven verändert haben. Kommen wir zurück zu den Verände- rungen, die Sie bei Ihren Renditepro- gnosen vorgenommen haben. Wo gab es wesentliche Neueinschätzungen? In der Überarbeitung unserer Ertragserwartun- gen haben wir den Fokus primär auf die erra- tischen Marktbewegungen im März gelegt, als die globalen Aktienmärkte im Rekordtempo aus der Hausse in die Baisse umschwenkten. Naturgemäß hat sich die Marktvolatilität auch noch weiterhin fortgesetzt, wie der starke An- stieg der Aktienkurse imApril vermuten lässt. Da Marktneubewertungen bewegliche Ziele sind und bleiben, hat uns vor allem interes- siert, wie sensibel die langfristigen Rendite- prognosen auf die neuen Einstiegspreise rea- gieren. Wir betrachten dabei außerdem den Portfoliokontext und die potenziellen Auswir- kungen der jüngsten politischen Maßnahmen auf die Wirtschafts- und Investitionslandschaft der kommenden Jahre. Und was lässt sich daraus konkret für die einzelnen Marktsegmente ableiten? Bleiben wir vielleicht zunächst bei den Anlei- henmärkten. Mit dem Kursverfall an den Aktienbörsen im März sind auch die Renditen von Staatsanleihen eingebrochen. Zudem haben sich die Risikoaufschläge ausgeweitet, was bei einer Bewertung der Anleihenkurse ab 31. März zu einem Rückgang der erwarte- ten Erträge um 30 Basispunkte für Staatsan- leihen weltweit und zu einem sprunghaften Anstieg der Spreads um 170 Basispunkte für US-Hochzinsanleihen geführt hat. Bei genau- er Betrachtung lassen sich hier einige inter- essante Nuancen erkennen. Der Rückgang der Erträge von Staatsanleihen ist bei US-Staats- anleihen massiv ausgeprägt. So fallen die er- warteten Erträge für US-Treasuries mit zehn- jähriger Laufzeit um 70 Basispunkte, jene für den langlaufenden Staatsanleihenindex sogar um 130 Basispunkte. Einmal abgesehen von langfristigen US-Staatsanleihen liegen die Renditen von Dollar-Anleihen damit immer noch vergleichsweise höher als bei Anleihen im Euroraum. Allerdings sind die erwarteten Erträge für Euro-Staatsanleihen sogar um 30 Basispunkte besser als vorher, was nicht zuletzt eine Folge der bereits vor Beginn der Coronakrise außergewöhnlich niedrigen Zin- sen war. Auffällig ist aber doch der deutliche Renditeaufschlag, den Unternehmens- anleihen verzeichnen konnten. Die erwarteten Erträge von Unternehmensan- leihen haben sich mehr oder weniger umge- kehrt proportional zur jeweiligen Kreditqua- lität verbessert. Dies spiegeln sowohl das Aus- maß der Spread-Ausweitung als auch die kür- zere Laufzeit von Anleihen mit Spekulations- rating gegenüber solchen mit Investment- Grade-Rating wider. Nicht in unserer Bewer- tung vom 31. März berücksichtigt ist die jüngs- te Entscheidung der amerikanischen Federal Reserve zum Kauf von Unternehmensanlei- hen, teils mit BB-Rating, die imApril zu einer raschen Einengung der Spreads geführt hat. Ebenso wenig spiegelt sich darin auch die jüngste Ölpreisvolatilität oder der in einigen Sektoren größere Hebel wider. Beides könnte in naher Zukunft zu vermehrten Verlusten aus Unternehmensanleihen führen. Unterm Strich aber steigen die Ertragserwartungen aus Un- ternehmensanleihen, in einigen Fällen nähern sie sich sogar denen von Aktien an. Zugleich sinken die Erträge von Staatsanleihen, die in den meisten Fällen real sogar negativ sind. Obwohl auch in einer weltweiten Rezession weiterhin Duration, sprich lange Laufzeiten gefragt sein werden, sollten die heutigen Käu- fer von Anleihen diese unter Renditegesichts- punkten eher nicht langfristig halten. Tilmann Galler: „Wir haben den Fokus auf die erratischen Marktbewegungen im März gelegt, als die globalen Aktien- märkte im Rekordtempo aus der Hausse in die Baisse umschwenkten.“ » Unterm Strich steigen die Ertragserwartungen aus Unter- nehmensanleihen, in einigen Fällen nähern sie sich sogar denen von Aktien an. « Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management Foto: © Manjit Jari | J.P. Morgan Tilmann Galler Von Frankfurt aus arbeitet Tilmann Galler als globaler Marktstratege für J.P. Morgan Asset Management. Bevor er zu dem US-Haus kam, war er sechs Jahre bei UBS Global Asset Management als Portfolio- manager tätig, wo er Aktien- und Balanced-Mandate für institutionelle Kunden verwaltet hat. Außerdem hat er als Aktienhändler für die Commerzbank gearbeitet. Galler verfügt über einen Abschluss als Diplomkaufmann in BWL der Uni Hohenheim und ist zertifizierter Finanzanalyst. » In der Finanzkrise gingen manche Prognosen davon aus, dass unser gesamtes Wirtschaftssystem auf Jahrzehnte hinaus beschädigt sein könnte. « Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management J b J J J b b b J b markt & strategie I tilmann galler | j.p. morgan asset management 106 www.fondsprofessionell.at | 2/2020

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