FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Das glaube ich nicht. Ich gehe eher davon aus, dass es auch in der aktuellen Situation nicht sinnvoll sein kann, sich von einer zykli- schen Entwicklung zu stark beeinflussen zu lassen in Bezug auf die Erarbeitung von grundlegenden strukturellen Trends der wirt- schaftlichen Rahmenbedingungen. Wir wollen bewusst vermeiden, uns von zyklischen Ent- wicklungen zu sehr ablenken zu lassen. Des- halb konzentrieren wir uns bei der Erarbeitung unserer Langfristaussagen auf die erkennbaren und entsprechend unterlegten strukturellen Wachstumstreiber für die verschiedenen Volkswirtschaften in der Welt. Welche Treiber meinen Sie konkret? Die demografische Entwicklung etwa ist ein wichtiger Indikator für strukturelle Verände- rungen der gesellschaftlichen und damit auch der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Frage, wie sich die Zahl der Erwerbstätigen in den einzelnen Ländern der Erde mehr oder minder verändern wird, steht dabei im Vordergrund. Bei dieser Betrachtung hat man zumindest heute schon relativ verlässliche Daten und so eine hohe Sicherheit, wie die Welt sich im Lauf der kommenden zehn bis 15 Jahre ver- ändern wird. Schließlich kann man schon heu- te sehen, wie viele Menschen in dem genann- ten Zeitraum ins Arbeitsleben eintreten wer- den – ganz einfach, weil diese Menschen bereits geboren sind. Daher verfügen wir in dieser Beziehung über relativ zuverlässige Größen. Darüber hinaus entwickeln wir auch konkrete Annahmen über die Entwicklung der Produktivität, die Veränderungen des Kapital- stocks sowie die Qualität des Inputs durch Ar- beitskräfte. Denn das sind die langfristigen strukturellen Treiber einer Volkswirtschaft. Es müsste schon zu wirklich erheblichen Verän- derungen kommen, damit sich daran etwas dramatisch verändert. Wollen Sie sagen, dass man nur allzu schnell dazu neigt, krisenhafte Entwick- lungen, wie wir sie gerade erleben, zu stark in die Zukunft fortzuschreiben? So kann man es ausdrücken. Wir haben es schon in der Finanzkrise von 2008 erlebt, und wir erleben es gerade wieder im Zusammen- hang mit der Coronakrise: Die Menschen lau- fen stets Gefahr, solche Verwerfungen auf- grund von zyklischen Ereignissen und den da- mit verbundenen erheblichen Abschwung der Wirtschaft, wie er dann in aller Regel stattfin- det, allzu stark in die Zukunft zu extrapolie- ren. Man muss sich nur einmal daran erin- nern, welche Katastrophenszenarien während der Finanzkrise aufgekommen sind. Es gab eine ganze Reihe von Spekulationen darüber, was etwa im Bankenbereich alles passieren könnte. Manche Prognosen gingen davon aus, dass unser gesamtes Wirtschaftssystem auf Jahrzehnte hinaus beschädigt sein könnte. Im strukturellen Veränderungen “ Die Menschen laufen stets Gefahr, Verwer- fungen aufgrund von zyklischen Ereignissen und den damit verbun- denen erheblichen Abschwung der Wirtschaft allzu stark in die Zukunft zu extrapolieren. - z - A » - z - A « Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management www.fondsprofessionell.at | 2/2020 105

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