FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2019

haltige Belastungen darstellen, sondern auch noch durch Gesetze in die Zukunft fortge- schrieben wurden. Als Ergebnis bleibt: Die Politik hat nicht gespart und uns gleichzeitig untragbare Lasten für die Zukunft aufgebür- det. Und schon wieder wurden sinnvolle In- vestitionen in die Zukunft zugunsten von kon- sumptiven Ausgaben versäumt. An anderer Stelle weisen aber auch Sie darauf hin, dass die Berücksichtigung von ungedeckten Zusagen nicht sinnvoll ist, da es sich um Leistungen handelt, die aus späteren Beiträgen vonArbeit- nehmern und Unternehmen gezahlt werden. Da beziehe ich mich aber ausdrücklich auf die Betrachtung des Vermögens als eine Bestandsgröße, nicht auf das Einkommen als einer Flussgröße. Dass man zwischen diesen beiden grundlegenden ökonomi- schen Größen unterscheiden muss, verste- hen aber viele Politiker nicht. Eines der Er- gebnisse der von der EZB 2016 veröffent- lichten Studie zur Vermögenssituation pri- vater Haushalte hat deutlich gemacht, dass die Deutschen mit Abstand zu den Ärm- sten in Europa gehören. Prompt entgegnete Angela Merkel, dabei seien ja künftige Rentenansprüche nicht berücksichtigt. Die- se Rentenansprüche, bei denen wir im Übri- gen laut einer Studie der Allianz auch nur im Mittelfeld liegen, stellen aber kein netto vorhandenes Vermögen dar. Sie sind le- diglich so etwas wie ein Versprechen an eine heutige Bevölkerungsgruppe auf spätere Leistungen zulasten einer Bevöl- kerungsgruppe in der Zukunft. Diese als Wohlstand missverstandenen Leistungen müssen aber in der Zukunft erst noch er- arbeitet werden. Was muss Ihrer Ansicht nach getan werden? Was muss sich verändern? Hätten wir frühzeitig einen Staatsfonds wie Singapur oder Norwegen etabliert, der in ein globales Aktienportfolio und weltweit in Infrastruktur investiert, dann würden wir heute über echte Assets ver- fügen, die auch in Zukunft Erträge für künftige Generationen erwirtschaften. Stattdessen betreibt die Politik eine Ver- teilung innerhalb des eigenen Landes, sozusagen von der linken in die rechte Tasche. Das macht uns aber nicht reicher, im Gegenteil, es macht uns noch ärmer, wenn man die Kosten dieser Umverteilung mit einrechnet. Wie stehen Sie in diesem Zusam- menhang zur Position von Marcel Fratz- scher, der anmahnt, dass in Deutschland die Löhne zu hoch, die Vermögen zu ge- ring besteuert werden? Ich gebe Herrn Fratzscher eigentlich selten recht, in dieser Beziehung aber schon. Des- halb schlage ich in meinem Buch vor, die Ar- beitseinkommen deutlich zu entlasten, die Fi- nanzierung des Sozialsystems breiter aufzu- stellen und alle mit einzubeziehen, auch Selbstständige. Gleichzeitig müsste aber über eine Art Sozialsteuer statt einemAbgaben- system den Menschen transparent gemacht werden, was der Staat für Soziales ausgibt, denn immerhin beläuft sich der Sozialhaushalt heute auf ein Drittel des Bundeshaushalts. So könnte Druck aufge- baut werden auf die Politik, um die Frage zu klären, ob wir eigentlich ein solches Niveau an Belastung für soziale Ausgaben haben wollen. Gleichzeitig kann man in der Tat darüber nachdenken, eine Vermö- genssteuer einzuführen, aber eben erst nachdem man die Einkommensteuer für al- le gesenkt hat. Dann wäre es auch möglich, die Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer – heute sicher noch ein Ungerechtigkeitsfak- tor – zu streichen. Um Unternehmen nicht in ihrer Existenz zu gefährden, könnte man Daniel Stelter: „Hätten wir frühzeitig einen Staatsfonds wie Singapur oder Norwegen etabliert, dann würden wir heute über echte Assets verfügen, die auch in Zukunft Erträge für künftige Generationen erwirtschaften.“ » Die Politik hat nicht gespart und uns gleichzeitig untragbare Lasten für die Zukunft aufgebürdet. « Daniel Stelter, Beyond The Obvious Foto: © Tim Flavor Daniel Stelter Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökono- mie spezialisierten Forums „Beyond The Obvious“. Als Autor zahlreicher Expertenbeiträge und aktueller Sachbücher liefert er einen unverstellten Blick auf wirtschafts- und finanzpoliti- sche Fragen unserer Zeit. Laut „FAZ“ zählt er zu den 100 ein- flussreichsten Ökonomen Deutschlands. Er war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der internationalen Strategie- beratung Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. Von 2003 bis 2011 verantwortete er weltweit das Geschäft der BCG-Praxisgruppe Corporate Development (Stra- tegie und Corporate Finance). Seit 2007 berät Stelter interna- tionale Unternehmen im Umgang mit den Herausforderungen der fortschreitenden Finanz- und Eurokrise und ist ein gefragter Redner. Sein 2018 erschienenes jüngstes Buch mit dem Titel „Das Märchen vom reichen Land“ steht aktuell auf der Best- sellerliste für Wirtschaftsbücher. markt & strategie I daniel stelter | beyond the obvious 92 www.fondsprofessionell.at | 2/2019

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