FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

falls ist die Gefahr einer falschen oder unvoll- ständigen Aufklärung der Anleger groß, und es bestehen für Vermögensberater erhebliche Haftungsrisiken. Wie hoch der Maßstab ist, den die Rechtsprechung hier für Vermögens- berater ansetzt, zeigt eine jüngere Entschei- dung des OGH sehr anschaulich (OGH 28. 6. 2018, 6 Ob 97/18k). In diesem Fall vermittelte eine Beratungs- GmbH dem Kläger ein qualifiziertes Nach- rangdarlehen von der T-Consulting über 20.000 Euro mit der Option, am Laufzeitende Vorzugsaktien einer bestimmten Aktiengesell- schaft zu erwerben. Dabei trat der Kläger aktiv an die GmbH mit dem Wunsch heran, in die besagte Aktiengesellschaft zu investie- ren. Dies hatte ihm sein Sohn empfohlen. Für das Produkt des Nachrangdarlehens mit der T-Consulting lag kein Kapitalmarktprospekt auf. Das wusste die GmbH. Sie nahm an, dass kein Prospekt erforderlich sei, und klärte da- her – aus ihrer Sicht nur folgerichtig – auch nicht gesondert über den Umstand auf, dass für das Nachrangdarlehen kein Kapitalmarkt- prospekt auflag. Die GmbH informierte sich über das von ihr vermittelte Produkt, indem sie per E-Mail beim Geschäftsführer der T-Consulting Details und Zukunftsprognosen über die Aktiengesellschaft erfragte. Sie ver- ließ sich auf die erhaltenen Auskünfte und stellte keine weiteren Nachforschungen über das Produkt an. Die Aktiengesellschaft wurde später insol- vent, und der Kläger verlangte Schadenersatz aufgrund eines vermeintlichen Beratungsfeh- lers der Beklagten. Konkret stützte sich der Kläger darauf, dass die GmbH nicht über die mit dem Nachrangdarlehen verbundenen Risiken aufgeklärt hätte. Es habe außerdem kein geprüfter Prospekt vorgelegen. Hätte er dies gewusst, hätte er nicht investiert. Der OGH entschied, dass ein öffentliches Angebot einer Veranlagung nach dem KMG vorgelegen habe. Diese unterliegen der Prospektpflicht. Wesentlich war für den OGH dabei, dass es sich bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen um eine Risikogemein- schaft handelt, dass also ein Totalverlustrisiko vorliegt und dieses Risiko von der wirtschaft- lichen Entwicklung des Emittenten abhängt. Er verwarf in diesem Zusammenhang auch die Argumentation, dass es sich bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen um gar keine Veranlagung handle. Dies bezeichnete er so- gar – für juristische Verhältnisse ungewöhn- lich scharf – als nicht vertretbare Rechtsan- sicht. Dabei verweist er auf eine OGH-Ent- scheidung aus dem Jahr 2012, wonach Se- condhand-Lebensversicherungspolizzen als Veranlagung einzustufen sind und aus der ver- meintlich abzuleiten sei, dass Selbiges auch für qualifizierte Nachrangdarlehen gelte. Be- merkenswert ist, dass aber selbst die FMA erst seit März 2014 die Rechtsansicht vertritt, dass qualifizierte Nachrangdarlehen unter Umstän- den Veranlagungen nach § 1 Abs. 3 KMG sein können. Tatsächlich Klarheit darüber besteht erst seit der OGH-Entscheidung 4 Ob 47/16i vom 12. 7. 2016. Prospektpflicht Im Ergebnis bejahte der OGH eine Fehlbe- ratung und somit die Haftung des Vermögens- beraters. In seiner Entscheidung verweist der OGH dabei auf zwei unterschiedliche Kon- stellationen. Wenn Vermögensberater Veran- lagungen öffentlich anbieten, für die trotz Pro- spektpflicht kein Prospekt vorliegt, unterliegen sie damit selbst der Prospektpflicht. Dies gilt aber nicht, wenn ein Kunde aktiv an den Ver- mögensberater herantritt, um in ein bestimm- tes Produkt zu investieren. In diesem Fall liegt kein öffentliches Angebot vor, weil der Ver- mögensberater keine an das Anlegerpublikum gerichtete Mitteilung macht. Aber auch in die- sem Fall muss der Vermögensberater aus Sicht des OGH, falls für das nachgefragte Produkt ein Prospekt erforderlich wäre, eben auf diesen Umstand hinweisen. Der Vermögensberater muss daher zumin- dest über das Fehlen eines Prospekts aufklä- ren. Dies gilt auch dann, wenn der Berater – wie in diesem Fall auch die Emittentin selbst – nicht erkennt, dass ein prospektpflichtiges Angebot vorliegt. Vom Berater wird verlangt, über alle zum Einordnen eines Produkts als prospektpflichtiges Angebot erforderlichen Kenntnisse zu verfügen oder sich rechtzeitig entsprechend qualifizierte Expertise zu holen. Dabei ist festzuhalten, dass ein entsprechen- der Hinweis im Vertragstext, dass es sich bei dem Nachrangdarlehen um ein riskantes Produkt handelt, nicht ausreicht. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass es sich beim Kun- den um einen erfahrenen Unternehmer und Gerichtssachverständigen handelt. Allein das genaue Einhalten der Aufklärungs- und Prüf- pflichten bietet dem Vermögensberater Schutz vor einer Haftung. In den Entscheidungen des OGH finden sich wiederkehrende Muster in Bezug auf die Haftung von Vermögensberatern, die auch im Bereich des Alternative Financing relevant sind. Diese Muster zeigen, was von Vermö- gensberatern in der Praxis oft nicht hinrei- chend beachtet wird und daher immer wieder Gegenstand von Gerichtsentscheiden ist. Es gilt der Grundsatz: Je spekulativer eine Anlageform und je unerfahrener der Kunde ist, desto weitreichender sind die Aufklärungs- pflichten des Vermögensberaters. In der oben geschilderten OGH-Entscheidung wird mehr- fach erwähnt, dass es sich bei qualifizierten Nachrangdarlehen um hochriskante Produkte handelt. Wichtig ist daher, dass sich der Berater im Detail und ganz konkret mit den Verhältnissen des Kunden – insbesondere sei- nen wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Kenntnisstand über die Anlageform etc. – aus- einandersetzt. Gerade bei Formen des Alter- native Financing ist entscheidend, dass der Berater das Produkt, das er vertreibt, auch selbst bis ins Detail versteht. Denn was man nicht versteht, kann man auch nicht erklären. Das klingt banal, kommt in der Praxis aber immer wieder vor. Kann der Berater vor Gericht die Beschaffenheit des Produkts nicht im Detail erklären, sind die Erfolgsaussichten im Verfahren eher beschränkt. Aufklärung über Totalverlustrisiko In der Judikatur des OGH wird dabei ins- besondere die Aufklärung über das Totalver- lustrisiko hervorgehoben. Bei den meisten Formen alternativer Finanzierungen besteht – jedenfalls theoretisch – das Risiko, das gesam- te eingesetzte Kapital zu verlieren. Auch wenn es wirtschaftlich im konkreten Fall unwahr- scheinlich sein mag, dass etwa ein Crowd- funding-Projekt floppt, ist dennoch eindeutig darüber aufzuklären, dass die Möglichkeit des Totalverlustes besteht. Insbesondere bei qua- lifizierten Nachrangdarlehen reicht es schon aus, wenn das Rückzahlen zu Zahlungseng- pässen führen könnte, um das Rückführen der Valuta zumindest aufzuschieben. Darüber ist der Kunde jedenfalls umfassend aufzuklären. Es ist außerdem anzuraten, selbst dann über das Totalverlustrisiko aufzuklären, wenn der Kunde sich dessen aufgrund seiner wirtschaft- lichen Erfahrung ohnehin bewusst ist oder sein müsste. In einem Zivilverfahren ist die vermeintliche wirtschaftliche Erfahrung des Kunden für das Gericht oft nur schwer zu überprüfen. Die Autoren: MMag. Martin Kollar ist Rechtsanwalt und Mag. Martin Pichler ist Rechtsanwaltsanwärter in der auf Kapital- marktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH. FP 253 www.fondsprofessionell.at | 1/2019

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