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fonds & versicherung I

michael kur tenbach | gothaer leben

Foto: © Florian Trettenbach

D

ie traditionelle Kapitallebensversi-

cherung geht angesichts der

anhaltenden Zinssituation mehr als

schweren Zeiten entgegen. Das wissen an

erster Stelle natürlich die Versicherer

selbst, die zum Teil bereits die Konse-

quenzen gezogen haben und sich von

dem Produkt – lange Zeit so etwas wie

der Selbstläufer im Versicherungsgeschäft

– komplett verabschiedet haben. Andere,

zum Beispiel der Gothaer-Konzern, gehen

einen anderen Weg und versuchen das da-

hinter stehende Konzept durch die ge-

schickte Verzahnung von Fonds- und Ver-

sicherungswelt zu retten. Die Gothaer

bringt da nicht nur gute Voraussetzungen,

sondern auch reichlich Erfahrung mit.

Das erste eigene Fondsprodukt, ein

heute unter dem Namen Gothaer

Euro-Rent vertriebener Renten-

fonds, wurde bereits 1980 aufge-

legt. Außerdem verfügt der Versi-

cherer mit der Gothaer Asset

Management seit Langem

über eine Investmentge-

sellschaft, in der nicht

nur die eigenen Fonds

verwaltet werden, auch

die Kapitalanlagen der

konzerneigenen Ver-

sicherungen werden

hier gemanagt. Le-

ben-Chef Michael

Kurtenbach ist über-

zeugt, dass darin der

Schlüssel liegt, auch

künftig erfolgreich

am Markt agieren zu

können. Darüber hin-

aus wurde die für die

operative Betreuung der

Vermittler im Investment-

fondsgeschäft zuständige

Gothaer Invest- und Finanz-

service, die bisher im Finanz-

ressort angesiedelt war, in das

Ressort Leben eingegliedert.

Herr Kurtenbach, eine Reihe Ihrer

Mitbewerber ist bereits aus der

traditionellen Lebensversicherung

ausgestiegen. Wie steht es bei der

Gothaer um das Thema?

Michael Kurtenbach:

Lassen Sie mich

vielleicht zunächst voraus-

schicken, dass sich die

deutschen Lebensversi-

cherer – und mit dieser

Beobachtung stehe ich

sicher nicht allein – an-

gesichts der Zinssitua-

tion, wie sie sich nun

schon seit einigen

Jahren bietet, in

einem gigantischen

Transformationspro-

zess befinden, aus

dem sie anders her-

auskommen werden, als

sie hineingegangen sind.

Dieses Geschäftsfeld ist

sozusagen „under construc-

tion“. Das hat natürlich in

erster Linie mit der Nie-

drigzinspolitik der Europäi-

schen Zentralbank und hohen

Altgarantien in den Beständen

der Lebensversicherer zu tun,

aber auch mit neuen Eigenka-

pitalvorschriften aufgrund der Solvency-

II-Richtlinie. Daher sollte man die Dinge

nicht schöner reden, als sie sind: Weiter-

machen wie bisher mit alten Garantie-

modellen, das wird nicht funktionieren,

das wäre sogar grob fahrlässig. Die Frage,

die sich nun jedem Versicherer stellt, ist:

Wie sieht die richtige Balance aus? Auf

der einen Seite muss sich der Lebens-

versicherer für eine wohl noch länger

anhaltende Niedrigzinsphase rüsten, sein

Geschäft gewissermaßen wetterfest

machen. Das erfordert zum Teil ein-

schneidende Maßnahmen, weil Garantien

sukzessive zurückgefahren werden, Über-

schüsse reduziert und Kosten gesenkt

werden müssen. Gleichzeitig muss ein Ver-

sicherer wie die Gothaer natürlich alles tun,

um das eigene Lebensversicherungsgeschäft

wettbewerbsfähig zu halten und im Markt

attraktiv zu bleiben. Der eine oder andere

Mitbewerber hat die Frage für sich so beant-

wortet, dass er die aus meiner Sicht sehr harte

Konsequenz zieht, sich zukünftig nur noch

auf ausgewählte Produktsegmente zu fokus-

sieren. Sie können sich sicher an Überschrif-

ten erinnern, in denen es hieß: Versicherer XY

„stellt klassische Lebensversicherung ein“

oder „kippt die Lebensversicherung auf die

Müllhalde“. Wir gehen einen anderen Weg

und versuchen, beide Seiten zu berücksich-

tigen und diesen Transformationsprozess für

unsere Gesellschaft möglichst passgenau

auszubalancieren. Bisher gelingt uns das auch

recht gut, auch wenn es alles andere als

einfach ist.

Daraus darf ich schließen, dass die

Kapital-Leben für einenAnbieter wie die

Gothaer noch nicht gestorben ist?

Kurtenbach:

Im Neugeschäft spielt sie sicher-

lich kaum noch eine Rolle. Wir haben uns

sozusagen für den evolutionären statt den

revolutionären Weg entschieden. Wobei wir

uns darüber im Klaren sind, dass wir uns in

diesem Umbauprozess nicht unendlich viel

Zeit lassen können.

„Wir sind in einem gigantisch

»

Weitermachen wie

bisher mit alten

Garantiemodellen, das

wird nicht funktionieren,

das wäre sogar

grob fahrlässig.

«

Michael Kurtenbach, Gothaer Leben

Als Vorstandsvorsitzender einer Lebensversicherung hat man es zurzeit wirklich nicht leicht. Gothaer-Leben-Chef

Michael Kurtenbach

sieht sich und seine Mitstreiter im Konzern dennoch auf einem guten Weg. Im Interview erklärt

er, warum es aus seiner Sicht künftig nicht mehr ohne den klugen Einsatz von Investmentfonds gehen wird.

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