FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019

EuGH gibt VKI recht Nach dieser EuGH-Entscheidung nahm das Oberlandesgericht das Verfahren gegen die TVP wieder auf. Es gab die Klage zur neuerlichen Entscheidung an das Handelsge- richt zurück und ließ gleichzeitig einen ordentlichen Revisionsrekurs beim OGH zu. Dort landete das Verfahren im Jahr 2017, nachdem beide Parteien Rekurs eingelegt hat- ten. Im März 2018 entschied der OGH, den Fall zur Vorabentscheidung dem EuGH vor- zulegen. Anfang Oktober, rund sechs Jahre nach Einbringung der Klage, fiel die Entscheidung wie im Fall Amazon zugunsten des VKI: Weder die Rechtswahl (deutsches Recht) noch die Tatsache, dass die TVP von Hamburg aus die österreichischen Kunden betreut, verhin- dern, dass für die Anleger hierzulande das hei- mische Recht gilt. „Damit ist klargestellt, dass österreichischen Verbrauchern der Schutz des österreichischen Rechts auch bei gegenteiliger Rechtswahl und bei einer Vertragserfüllung aus der Ferne zwingend zugutekommt“, er- klärte Petra Leupold, Leiterin der VKI-Aka- demie, nach der EuGH-Entscheidung. Das Urteil stärke den Schutz des Verbrauchers und habe über den Fall TVP hinaus Bedeutung für alle Dienstleistungsverträge. Daraus sollten jedoch im Zusammenhang mit den MPC-Fonds keine voreiligen Schlüs- se gezogen werden. Denn einerseits werden nun tatsächlich einige Klauseln des Treuhand- vertrags zwischen der TVP und den Anlegern unwirksam. Das gilt aber nicht für den Gesell- schaftsvertrag der einzelnen Fondsgesellschaf- ten und für die zum Teil zurückgeforderten Auszahlungen der Fonds. Andererseits wur- den die in der Vergangenheit bestehenden Rückforderungen sowohl durch einen Ver- gleich zwischen der MPC Gruppe und dem VKI im Jahr 2017 (siehe Bericht „Krieg und Frieden“ in FONDS professionell Ausgabe 3/2017) als auch durch Vergleiche zwischen Banken, Anlegern und dem VKI auf der Anlegerseite gelöst. Deshalb gibt es aktuell von MPC-Fonds keine offenen Rückforderun- gen in Österreich. Damit ist das EuGH-Urteil „nur noch“ von allgemeiner Relevanz für den VKI bei der Beurteilung von grenzüberschrei- tenden Dienstleistungsverträgen. Österreichische Urteile Der OGH musste sich in den vergangenen Jahren in unzähligen Fällen mit geschlosse- nen Fonds beschäftigen und traf dabei bereits Grundsatzentscheidungen, auf die nachfol- gende Verfahren Bezug nehmen. Das betrifft vor allem zwei Aspekte:  Erstens hat der OGH vor einigen Jahren eine wegweisende Entscheidung zur dreijäh- rigen Verjährung der Beraterhaftung getroffen. Werden dem Verkäufer mehrere Beratungs- fehler vorgeworfen, die zu einem Vermögens- schaden geführt haben, verjähren diese nicht alle auf einmal, sobald dem Investor der erste Fehler und Schaden bekannt ist. Seit 2015 gilt, dass jedes Vergehen gesondert und erst mit der jeweiligen Erkenntnis des einzelnen Beratungsfehlers verjährt. Dadurch kann ein Investor also immer noch gegen seinen Bera- ter vorgehen, wenn er erst in den vergangenen drei Jahren festgestellt hat, dass er nicht über die Vertriebsprovisionen aufgeklärt wurde. Zweitens sind insbesondere die Vergütun- gen Gegenstand aktueller Verfahren. Dabei geht es um die Provision, die Vertriebe über das Agio hinaus erhalten haben. Die zusätz- liche Vergütung, die landläufig als Innenpro- vision bezeichnet wird, wurde von den Anbie- tern zwar durchaus in den Kapitalmarkt- prospekten beschrieben, aber häufig von den Vertriebspartnern gegenüber den Kunden nicht direkt offengelegt. Der OGH sieht darin grundsätzlich einen Interessenkonflikt, aus dem ein Schadenersatzanspruch für den Kunden entstehen kann (siehe Bericht „Kol- lidierende Interessen“ in FONDS professio- nell Ausgabe 2/2019). Empfehlung des OGH Ende September traf der OGH erneut eine Leitsatzentscheidung zu einem Fall, in dem sich zwei Anleger über eine Bank an einem MPC-Hollandfonds beteiligt hatten. Der Berater hatte sie offenbar nicht über die Innenprovision und die Produktrisiken aufge- klärt. Das Erstgericht gab den Klägern recht, das Berufungsgericht hob das Urteil jedoch zugunsten der Bank auf. Im Rekursverfahren schickte der OGH den Fall mit gewichtigen Feststellungen an das Berufungsgericht zurück. Die Innenprovision löst nämlich keinen Interessenkonflikt aus, wenn die Bank – und nicht der Berater – den Fonds auch ohne diese Vergütung in die Pro- duktpalette aufgenommen hätte. Dabei muss die Bank beweisen, dass „mit hoher Wahr- scheinlichkeit“ keine Interessenkollision bestanden hat. Eine „relative Wahrschein- lichkeit“ und somit ein geringeres Beweismaß gemäß der Zivilprozessordnung gilt nicht. Außerdem stellte der OGH fest, dass die Investoren eine Mitschuld amAnlageschaden tragen können, wenn sie sorglos die schrift- lichen Produktunterlagen nicht gelesen haben. Deshalb ist zu einem Beratungsfehler zum Beispiel durch unterlassene Aufklärung über das Totalverlustrisiko ein Mitverschulden der Anleger möglich, auch wenn bei einem an- deren Beratungsfehler etwa zum Thema der verdeckten Innenprovision kein Mitverschul- den vorliegt. Beim Berufungsgericht wird nun zu klären sein, inwieweit sich die Anleger aufgrund der Beratung mit den Fondsunter- lagen beschäftigen hätten müssen. Gegebe- nenfalls reduziert diese Frage am Ende ihren Schadenersatzanspruch. ALEXANDER ENDLWEBER | FP Rechtsanwalt Sebastian Schumacher kämpfte im VKI- Auftrag seit 2013 gegen die TVP-Vertragsklauseln. Später Erfolg für Peter Kolba: Der ehemalige VKI-Mann vertrat Hunderte Anleger geschlossener Fonds. www.fondsprofessionell.at | 4/2019 257

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