FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019

Foto: © nmann77 | stock.adobe.com, Marlene Rahmann, Kolba A ls vor mehr als zehn Jahren jährlich mehrere hundert Millionen Euro in deutsche geschlossene Fonds geflossen sind, dachte niemand daran, dass diese Ge- schäfte später ein gerichtliches Nachspiel ha- ben könnten. Rund 1,5 Milliarden Euro haben die Österreicher bis Ende 2009 in die Beteili- gungen investiert. Eine Vielzahl der Invest- ments ging schief und landete deshalb beim Verbraucherschutz und bei Anlegeranwälten. Seither wurde vor Gericht über früher be- gangene Fehler, die mehr oder weniger offen- sichtlich sind, gestritten. Waren der Prospekt und die Marketingunterlagen korrekt? Hat der Berater den Anleger richtig beraten und auf- geklärt? Und müssen Anleger Auszahlungen ihrer Fonds zurückgeben? Dazu gibt es inzwi- schen unzählige Entscheidungen aller gericht- lichen Instanzen. Dabei hat sich die Recht- sprechung zulasten des Vertriebs häufig sehr anlegerfreundlich gezeigt, weil insbesondere die Frage, wie viel allgemeines Verständnis man von – mitunter erfahrenen oder in wirt- schaftlichen Berufen tätigen – Investoren er- warten darf, relativ streng gegen die Berater ausgelegt wurde. Vielfach erwecken die rich- terlichen Entscheidungen den Eindruck, als seien sie im Zweifel nicht für den Angeklag- ten, sondern für den Investor getroffen wor- den. Aktuell brisant ist eine lange ersehnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 3. Oktober 2019. Umstrittene Vertragsklausel Der Fall: Der Wiener Rechtsanwalt Sebas- tian Schumacher hat im Jahr 2013 imAuftrag des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) die TVP Treuhand- und Verwaltungs- gesellschaft für Publikumsfonds geklagt. Die Gesellschaft gehört dem Emissionshaus MPC Capital und ist in dem Konzern für die Ver- waltung und Betreuung der Fondsanleger zuständig. Der VKI ging gegen 14 nach dem österreichischen Konsumentenrecht rechts- widrige Klauseln des Treuhandvertrags vor, den die Anleger bei ihrem Beitritt zu einem geschlossenen Fonds mit der TVP abgeschlos- sen hatten. Die Treuhandgesellschaft, die wie die Muttergesellschaft MPC ihren Sitz in Hamburg hat, wollte das Verfahren aber nicht in Wien, sondern nach deutschem Recht in Hamburg führen. Dabei berief sich die TVP auf folgenden Passus in den Treuhhandverträ- gen: „Alle Ansprüche aus und im Zusammen- hang mit diesem Vertrag unterliegen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Er- füllungsort und Gerichtsstand für alle Strei- tigkeiten aus diesem Vertrag ist der Sitz der Treuhänderin.“ In den ersten Beteiligungsjahren hat sich daran niemand gestört. Anlass für die Klage gegen die TVP waren dann aber Rückforde- rungen von Auszahlungen, die notleidende Immobilien- und Schiffsfonds nach der hefti- gen Finanz- und Wirtschaftskrise von ihren Anlegern verlangten. Der VKI bezweifelte, dass die deutsche Treuhänderin von österrei- chischen Anlegern Geld zurückfordern darf. Denn damals war zwar klar, dass der Bundes- gerichtshof in Deutschland grundsätzlich sol- che Zahlungsaufforderungen gegen die Inves- toren bestätigte, in Österreich gab es aber noch keine Rechtsprechung dazu. Etappensiege 2015 gewann der VKI in der ersten Instanz gegen die TVP. Das Handelsgericht Wien gab der Klage zur Gänze statt und erklärte alle 14 Klauseln für gesetzwidrig. „Dieses Urteil wird den betroffenen Anlegern sowohl bei der Ab- wehr von Ausschüttungsrückforderungen als auch bei der Durchsetzung von Schadenersatz- ansprüchen gegen die TVP noch gute Dienste leisten“, freute sich Peter Kolba, 1990 bis 2017 Leiter des Bereichs Recht im VKI. Die unterlegene TVP ging beim Oberlan- desgericht Wien in Berufung, bei dem das Verfahren bald unterbrochen wurde. Denn der Oberste Gerichtshof (OGH) wartete zu dieser Zeit auf eine Entscheidung des EuGH, nach welchem Recht der VKI gegen elf beanstan- dete Klauseln in den Allgemeinen Geschäfts- bedingungen des Internethändlers Amazon mit Sitz in Luxemburg vorgehen kann. Die europäischen Richter entschieden im Sommer 2016, dass ein Unternehmen grundsätzlich eine Rechtswahl – im Fall Amazon luxem- burgisches Recht – treffen kann. Allerdings müssen Kunden darauf hingewiesen werden, dass ein davon abweichendes Konsumenten- recht im Heimatland zu berücksichtigen ist – und stärker sein kann. Die meisten geschlossenen Fonds kamen aus Deutschland, ihre Anbieter wollten daher im Streitfall deutsches Recht geltend machen. Das geht so aber nicht. EuGH stärkt Verbraucher Der Europäische Gerichtshof musste sich auf Ersuchen des Obersten Gerichtshofs in Wien mit der Frage befassen, ob die Rechtswahlklausel in deutschen Verträgen zulässig ist. Ein früheres „Amazon-Urteil“ diente als Vorlage. 256 www.fondsprofessionell.at | 4/2019 steuer & recht I geschlossene fonds

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=