Neue Gesetzesmaterien, allen voran die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, haben zwar in den vergangenen Jahren theoretisch die Standards in der Produktvermittlung erhöht. Doch nicht alle halten sich daran. Branchenvertreter haben deshalb Wettbewerbs- und Reputationssorgen, wie aus einem Artikel hervorgeht, der in voller Länge in der Printausgabe von FONDS professionell erschienen ist.

Das Image von Versicherungsvermittlern sei trotz der hohen Anstrengungen der vergangenen Jahre in Umfragen schlecht, ärgerte sich Horst Grandits, Obmann des Fachverbands der Versicherungsagenten, bei einer Expertendiskussion der Versicherungsagenten in der Wirtschaftskammer Wien (WKO). Nach fünf Jahren IDD könne man sagen: "Es gibt einige Bereiche, mit denen tun wir uns schwer." 

Kritik an Schulungen
Es gehe nicht nur um die Dokumentationspflichten und die Papierberge beim Produktabschluss, insbesondere bei den kleineren Sachversicherungen. Nicht glücklich ist Grandits auch damit, wie sich die Qualität der Weiterbildung unter der IDD entwickelt hat. Das verpflichtende Pensum von 15 Stunden im Jahr war ein zentrales Element der Richtlinie. Allerdings werden die gesetzlichen Standards oft nicht eingehalten: Webinare ohne Wissensüberprüfung, Massenberieselung über die Kinoleinwand, Tarifschulungen bei der Versicherung. "Seien wir uns ehrlich, das ist keine Weiterbildung", so Grandits.

Dass Versicherungen Produktschulungen machen, sei an sich nicht verwerflich, dass es jetzt ein IDD-Zertifikat dazu gibt, entspreche aber nicht den Vorgaben. "Wir sollten uns auf eine bessere Weiterbildung konzentrieren", fordert Grandits.

Umgehungen
Grundsätzlich sei die IDD positiv, weil sie keine der Vertriebssparten besserstelle. Vom Bankmitarbeiter über den Versicherungsagenten- und den -makler bis zum Außenvertrieb seien alle miterfasst. Ärgerlich seien jedoch die Schlupflöcher. Zum Beispiel wenn über Vereinskonstruktionen Gruppenversicherungen abseits üblicher Beratungspflichten abgeschlossen werden. Gemacht wird das mit der Argumentation, es würden keine Provisionen fließen, sondern nur "Mitgliedsbeiträge".

Diese Vermittler umgehen vieles, was die gewerblichen Kollegen erfüllen müssen, von der Befähigungsprüfung über die Weiterbildung bis zur Dokumentation. "Auch viele Tippgeber machen in Wirklichkeit, was sie wollen", spricht Grandits eine weitere Grauzone an. Tippgeber dürfen der Rechtslage nach Kontaktdaten weiterleiten, aber nicht beraten und verkaufen. Während man davon ausgehe, dass sich jene Tippgeber, die häufig in Strukturvertrieben arbeiten, meist daran halten, nehmen es die Einzelkämpfer oft nicht so genau.

Problem auch in Deutschland
Das Problem kenne man auch in Deutschland, so Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). "Es ärgert mich total, dass es großen Vertriebsstrukturen gelingt, unqualifizierte Menschen in den Prozess zu bringen. Da sitzt einer morgens an der Supermarktkassa und am Abend verkauft er an den Sportverein Versicherungen, dann an die Nachbarschaft und an die Verwandtschaft. Das ist ein Riesenthema", so Heinz.

Er findet, dass durch ein ständiges Nachschärfen von EU-Regeln oft die Falschen draufzahlen: Die Berliner Ombudsstelle behandle nur 250 bis 300 Beschwerden jährlich bei 150.000 bis 160.000 Vermittlern deutschlandweit. "Wir müssen schauen, dass Brüssel nicht immer noch etwas draufsattelt", so Heinz.

EU-Ebene entscheidend
Für die Zukunft des Vertriebs ist die EU die alles entscheidende Maßgröße. Darauf verwies bei der Diskussion die Juristin Maria Althuber-Griesmayr, Leiterin Recht und internationale Angelegenheiten beim Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO): "Wir müssen in Brüssel ansetzen", sagte sie und betonte, dass die Branche künftig noch viel früher achtsam sein müsse. "Die Dinge beginnen oft nicht im Versicherungsbereich. Da geht es zuerst um Gesetze für Banken. Aber was für Banken gut ist, muss nicht für Versicherungen passen. Die jetzige EU-Finanzkommissarin kommt auch aus dem Bankenbereich", sagte sie. Gemeint ist Maria Luís Albuquerque, Nachfolgerin von Mairead McGuinness, die am Provisionsverbot für Finanzvermittler arbeitete.

Zwar sei mittlerweile in Brüssel durchgedrungen, dass Konsumenten nicht von Provisionsverboten profitieren, so Althuber-Griesmayr. "Aber das Provisionsverbot ist ein Thema, das bleibt. Das werden wir immer wieder diskutieren müssen", sagte die Juristin. Auch sie sieht Verbesserungsbedarf bei der IDD. "Es bleiben zu viele Schlupflöcher, die uns weniger wettbewerbsfähig machen", kritisierte sie. (eml)


Den gesamten Artikel lesen Sie in der Heftausgabe 4/2024 von FONDS professionell oder im hier im E-Magazin.