Verbraucherschlichtung: Starker Anstieg im Versicherungsbereich
Bei der Verbraucherschlichtung Austria sind im Jahr 2024 die Bitten um Hilfe bei Meinungsverschiedenheiten zu Versicherungsverträgen stark angestiegen. Die allermeisten Schlichtungen enden zugunsten der Versicherten.
Die Verbraucherschlichtung Austria, eine der acht staatlich anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen in Österreich, registrierte 2024 erneut einen steigenden Zulauf. Über 2.000 Anträge wurden bearbeitet, gut 1.800 waren es im Jahr davor gewesen. Sehr stark legte dabei die Zahl der Fälle im Versicherungsbereich zu.
Im soeben abgelaufenen Jahr 2024 gab es 225 Anträge zu Auffassungsunterschieden zwischen Versicherungsnehmern und Assekuranzen, sagte Simon Eder, Geschäftsführer und Schlichter, gegenüber der Redaktion. 217 Fälle wurden abgeschlossen. 2023 waren nur 164 Anträge wegen rechtlicher Probleme mit Versicherungen gestellt worden. Das bedeutet einen Anstieg um gut 37 Prozent innert eines Jahres.
Inflation als Grund
Ein Grund für diese Entwicklung dürfte die allgemeine Teuerung sein. Auf der Suche nach Reduktionspotenzial bei den Gesamtkosten würden Konsumenten nun zunehmend auch ihre Versicherungsverträge hinterfragen, erklärt Eder. Dementsprechend landen auf dem Tisch der Schlichter sehr oft Probleme mit den Kündigungsbedingungen. Gerade wenn es um die Frage von Fristen gehe, würden sich die Versicherungen häufig auf dem Kulanzweg zu einer Einigung bereit erklären, so Eder.
Zwar ist die Teilnahmebereitschaft der Versicherungen gegenüber den anderen Unternehmen deutlich geringer – das liegt daran, dass sich mit vielen der Beschwerden bereits die Rechtsabteilungen der Assekuranzen befasst haben. Dort wo es aber zu einer Teilnahme am Schlichtungsverfahren kommt, ist die Lösungsquote höher: In 82 Prozent der Fälle, in denen die Versicherung am Verfahren teilnimmt, kommen die Streitparteien auf einen grünen Zweig, während in anderen Sektoren zu 75 Prozent eine Einigung erzielt wird.
Lösung oft zugunsten der Kunden
Im Ergebnis fällt die Statistik sehr häufig zugunsten der Versicherungsnehmer aus, wie Eder berichtet. Von den 92 Anträgen, die die Verbraucherschlichtung 2024 tatsächlich bearbeiten konnte (weil die Versicherer teilnahmen und weil der Antrag nicht mangels Zuständigkeit abgelehnt werden musste), entsprach die Lösung 77 Mal eher den Vorstellungen der Kunden.
Wenn es um die Versicherungssektoren geht, stehen Streitigkeiten im Bereich Rechtsschutz und Haushalt ganz oben. Es geht in erster Linie um Fragen der Deckung und der Kündigungsfristen. Oft aber auch um relativ banale Dinge, etwa weil die Kunden von der Versicherung keine Rückmeldung erhalten. Positiv: Über die Finanzvermittler selbst erhalte man nur äußerst selten Beschwerden, sagt Eder.
Gerichtsverfahren vermeiden
Dass generell die Fallzahlen bei der Verbraucherschlichtung Austria ansteigen, ist aus Sicht von Geschäftsführer Eder nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen, sondern zum einen ein Signal für die steigende Bekanntheit der Einrichtung, und zum anderen würden die Streitparteien die Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren zunehmend schätzen: "Wir hören beiden Seiten zu und können das Problem lösen, ohne dass die Kundenbeziehung im Streit endet", so Eder. Im Durchschnitt sind die Verfahren innerhalb von rund 44 Tagen abgeschlossen. Gemäß dem Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (AstG) sollen Schlichtungsverfahren nur in Ausnahmefällen länger als 90 Tage dauern.
Die Verbraucherschlichtung Austria (offiziell Schlichtung für Verbrauchergeschäfte) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein. Die Experten und Expertinnen (zu ihnen zählt unter anderem auch die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss) sind für Schlichtungsfälle zuständig, die von keiner der anderen sieben Verbraucherschlichtungsstellen in Österreich behandelt werden. Unter anderem werden hier Probleme im Zusammenhang mit dem Kauf von Waren, Reisen, Handwerkern, Gewährleistung und Garantie, der Kündigung von Abos und Mitgliedschaften, Versicherungen oder Fremdwährungskrediten bearbeitet. Finanziert wird der Verein vom Sozialministerium, der Sparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer, dem Land Niederösterreich und den Vereinsmitgliedern (etwa AK, FMA, Land Burgenland und Land Oberösterreich). (eml)