Einen weitreichenden Kompromiss ist der österreichische Versicherungsriese Vienna Insurance Group (VIG) eingegangen. Die VIG darf die Gesellschaften des niederländischen Versicherungskonzerns Aegon in Ungarn nun doch übernehmen; verkauft dafür aber 45 Prozent ihres gesamten Ungarn-Geschäfts an den Staat. Das geht aus einer Mitteilung des börsenotierten Unternehmens hervor.

Demnach soll es vorerst drei Holdinggesellschaften in Ungarn geben, an denen die ungarische Staatsholding Corvinus zu jeweils 45 Prozent beteiligt ist: zum einen sind das die zwei niederländischen Gesellschaften Aegon Hungary Holding B.V. und Aegon Hungary Holding II B.V, die beide das ungarische Aegon-Geschäft beinhalten (Versicherung, Asset Management, Pensionsfonds und Servicegesellschaften). Zum anderen ist das die ungarische VIG-Holdinggesellschaft (VIG Magyarország Befektetési Zrt.), in die 98,64 Prozent der UNION Vienna Insurance Group Biztosító Zrt. übergehen (bei der UNION handelt es sich um die bisher der VIG gehörende Ungarngesellschaft). Später sollen diese drei Einheiten komplett unter dem Dach der ungarischen VIG-Holdinggesellschaft zusammengeführt werden.

Ungarn nötig für Wachstum
Damit gewährt die VIG dem Staat nicht nur Einstieg in die Aegon-Gesellschaften, die der österreichische Versicherer für sein Wachstum dringend braucht, sondern auch in sein bisheriges Geschäft. Die VIG hat vor gut einem Jahr – Ende November 2020 – von der niederländischen Aegon den Zuschlag für deren Gesellschaften in Ungarn, Polen, Rumänien und der Türkei bekommen. Ungarn war dabei für die Österreicher der wichtigste Markt, ohne den sie das Aegon-Paket wohl nicht übernommen hätten. Im April 2021 legte Ungarn jedoch unerwartet ein Veto für eine Übernahme ein. Ein ausländischer Investor sei nicht erwünscht. Im Dezember 2021 kamen beide Seiten schließlich grundsätzlich über eine Staatsbeteiligung überein. Diese wurde nun fixiert und Details bekannt gegeben: Ungarn zahlt für den Deal 350 Millionen Euro.  

Es handle sich nicht um eine Teilverstaatlichung, betonte ein VIG-Sprecher auf Anfrage. Die VIG behalte die operative Führung und habe auch die kontrollierende Mehrheit. Gemeinsam mit Aegon, der bisherigen Nummer drei am Markt, steige die VIG als bisherige Nummer sechs zur Marktführerin auf. Ungarn sei bisher das einzige angrenzende Land, in dem die Österreicher nicht Nummer eins waren.

Ungarns Interesse am Versicherungsmarkt
Dass der Staat auch eine Beteiligung am bestehenden VIG-Geschäft erhält, habe pragmatische Gründe. Ein einheitlicher Auftritt schaffe Synergien, die in zwei geteilten Einheiten nicht zu erreichen wären. Gleichzeitig könne man die Staatsbeteiligung auch als einen gewissen Garant für ein florierendes Geschäft sehen. Schließlich erhält Ungarn damit auch Dividenden von der nunmehrigen Marktführerin, und die Politik dürfte mit diesem Hintergrund auch generell an einem gut funktionierenden Versicherungsmarkt interessiert sein. Bisher wird der ungarische Versicherungsmarkt fast ausschließlich von ausländischen Gesellschaften abgedeckt.

Die VIG steht wie alle Versicherungen unter Wachstumsdruck. Kurz vor dem Aegon-Deal waren die Wiener im Rennen um die Osteuropagesellschaften der Axa leer ausgegangen – bei Axa hatte ausgerechnet die österreichische Konkurrentin Uniqa den Zuschlag erhalten. Die Optionen für die VIG, das ungarische Veto gegen den Aegon-Deal zu bekämpfen, waren relativ eingeschränkt: Als Alternative hätte man entweder den gesamten Deal platzen lassen müssen, oder man hätte ein langwieriges Einspruchsverfahren vor EU-Instanzen in Kauf nehmen können (das Ungarn-Veto wird von manchen Beobachtern als nicht EU-rechtskonform betrachtet).

Der Kauf des Aegon-Paketes selbst muss noch abgewickelt werden. Das Closing der Transaktion erfolgt vorbehaltlich der notwendigen aufsichtsrechtlichen und wettbewerbsbehördlichen Genehmigungen sowie des Closings der Transaktion mit Aegon. Die VIG hat für das gesamte Osteuropa-Paket der Aegon 830 Millionen Euro geboten. Der Preis wird sich noch etwas verringern, weil inzwischen gezahlten Dividenden abgezogen werden. (eml)