Lebensversicherung: Nationalrat beschließt neue Spätrücktrittsregeln
Einstimmig hat der Nationalrat die Neuregelung zum Spätrücktritt bei Lebensversicherungen angenommen. Dem waren Urteile von OGH und EuGH vorausgegangen.
Nach jahrelangen legistischen Bemühungen ist am Donnerstag eine Neuregelung zum Versicherungsrücktritt vom Nationalrat angenommen worden. Dieser winkte die Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 einstimmig durch, die Rechtssicherheit in der Frage der mangelhaften Rücktrittsbelehrung bieten soll.
In der Novelle wird klargestellt, dass bei einer grob fehlerhaften und bei einer überhaupt fehlenden Rücktrittsbelehrung bei Kapitalversicherungen ein "ewiges Rücktrittsrecht" zusteht. Gestrichen wird außerdem die bisherige Regelung, wonach Versicherungen in einem solchen Fall nur den Rückkaufswert zurückzahlen müssen. Konsumenten sollen bei Fehlbelehrungen die eingezahlten Prämien erhalten und nicht mehr nur den Rückkaufswert, erläuterte Justizministerin Alma Zadić.
2018er-Novelle war nicht EU-rechtskonform
Die Rücktrittsregeln waren 2018 novelliert worden, allerdings war diese Novelle nicht EU-konform. Zum Beispiel machte das Gesetz keinen Unterschied bei den Rechtsfolgen zwischen Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung. Nach Klarstellungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Obersten Gerichtshofes (OGH) kam es nun zur erneuten Anpassung.
Die Regelungen sollen mit 1. August 2022 in Kraft treten und rückwirkend für Rücktrittsfälle gelten, die nach dem 31. Dezember 2018 erklärt wurden. Damit werde laut Erläuterungen die Rechtsprechung des OGH anwendbar, der schon bisher den betreffenden Paragraphen unangewendet gelassen und bei einem Spätrücktritt eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vorgenommen habe, heißt es in einer Aussendung der Parlamentsdirektion.
Umstrittene Spätrücktritte
Die nun erneut überarbeitete 2018er-Novelle wurde aufgesetzt, nachdem Tausende Kunden auf Basis von EuGH-Urteilen versuchten, ihre schlecht performenden fondsgebundenen Lebensversicherungen nach Jahren oder Jahrzehnten "rückabzuwickeln". Sie brachten oder bringen dabei das Argument vor, es habe eine falsche Rücktrittsbelehrung stattgefunden. Gemäß EuGH-Erkenntnis ist es möglich, selbst von einer bereits ausbezahlten Versicherung "zurückzutreten", wenn es zu einer groben Fehlbelehrung kam. Unter vielen Juristen ist hingegen ein nachträglicher "Rücktritt" aus einem Produkt, das jahrelang konsumiert wurde, umstritten. (eml)