Tiere der Hundegattung klammern das Universum des Insurtechs Wefox über alle Turbulenzen hinweg zusammen. Das verdeutlicht ein Blick in die Firmenbücher. Mitte Februar übertrug die Zürcher Wefox Group Plus AG ihre österreichische 100-Prozent-Tochter Wefox Austria GmbH an eine neu gegründete niederländische Gesellschaft namens Canidae TopCo B.V., die der gleichfalls neu eingerichteten schweizerischen Wefox Group Plus II AG gehört. Canidae TopCo wiederum reichte die Österreich-Einheit nur vier Tage später an ihre ebenfalls neue niederländische Tochter Canidae MidCo B.V. weiter, wie bei Northdata ersichtlich ist.

In der Biologie bilden die Canidae die "Familie der Hundeartigen", zu denen neben Hunden oder Wölfen eben auch die Füchse zählen. Wefox, einst als Financefox gegründet, befindet sich in einer radikalen Unternehmensumgestaltung, zeigt sich aber offenbar in der Namensvergabe konstant. Wozu die Übersiedelung der Österreicher aus der Schweiz und welche Rolle die niederländischen Canidae-Gesellschaften im Konzern spielen sollen, dazu gab es aus der Holding AG in der Schweiz – sie ist die übergeordnete Konzernmutter – bis Redaktionsschluss keine Antwort.* Bei der Wefox Austria hieß es, man gehöre weiter zur Gruppe.

Roter Faden gesucht
Nicht auszuschließen ist, dass der biologische Gattungsbegriff Canidae auf ein neues "Sammelgehege" hindeutet. Das Unternehmen ist vergangenes Jahr aus dem Gründungsmarkt Deutschland ausgestiegen, hat den Liechtensteiner Versicherungsarm verkauft und will nur noch in Ländern mit Aussicht auf profitables Geschäft tätig sein: den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, gewünschtermaßen auch in Italien. Dabei gibt es eine Schwierigkeit. In jedem dieser Märkte ist Wefox komplett unterschiedlich aufgestellt. In Österreich steht die Brokerage beziehungsweise das Software-as-a-Service-Geschäft (SaaS) im Vordergrund, in den Niederlanden gibt es Assecuradeur-Leistungen im Bereich Leben, in der Schweiz schwerpunktmäßig Krankenversicherungen, in Italien Kfz-Versicherungen. Wenn die Gruppe endlich Gewinne erwirtschaften möchte, muss sie hier einen roten Faden durchschießen, damit das Geschäft über die Märkte hinweg skaliert werden kann.

Profitabel war das 2015 gegründete Start-up nach Zahlen aus dem Vorjahr nämlich bis dahin nicht. Das deutsche "Manager Magazin" berichtete auf Basis interner Dokumente, dass die Wefox Group zwar gestiegene Umsätze verbuchte, aber 2023 auf einen Nettoverlust von über 141 Millionen Euro kam, nach 125 Millionen im Jahr davor. 

Neuer Vorstandschef muss es richten
Das Insurtech, das einst mit 4,5 Milliarden Euro bewertet war, befindet sich in einer ausgedehnten Krise, die vor über einem Jahr mit kritischen Medienberichten öffentlich wurde, wobei am schwersten der Zweifel an kommunizierten Geschäftszahlen wog. Die Unzufriedenheit der Investoren gipfelte im Vorjahr in einem Machtkampf in der Führungsriege. Dabei zog sich nicht nur Gründer Julian Teicke als CEO zurück, sondern innerhalb weniger Wochen auch sein Nachfolger Mark Hartigan, der in den Verwaltungsrat wechselte. Von den Investoren wird das Start-up, das einst zu den größten Europas zählte, mittlerweile nur noch mit rund 500 Millionen Euro bewertet und damit zu einem Bruchteil einstiger Höhen. Seit September ist Ex-Allianz-Manager Joachim Müller Vorstandschef.

Er soll es geschafft haben, die Investoren von einer weiteren Finanzierungsrunde zu überzeugen. "Sky News" berichtete Ende Dezember über ein Paket im Ausmaß von 170 Millionen Euro. Gleichzeitig ist nicht ausgeschlossen, dass es weitere Verkäufe gibt, um Zahlungen an Investoren zu bedienen. Etliche Medienberichte kolportieren, dass Investoren teils sehr hohe Kapitalverzinsungszusagen erhalten haben. Zu den Geldgebern von Wefox zählen laut der Plattform "CB Insights" rund vier Dutzend Unternehmen, darunter Namen wie Barclays, JP Morgan, Unicredit, Deutsche Bank, Chrysalis Capital, Searchlight Capital Partners, Target Global, Chrysalis Investments. Zu den Investoren der ersten Stunde gehört der Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi.

Vergangenen Sommer stand Wefox bereits vor einem möglichen Verkauf an den britischen Versicherungsmakler Ardonagh. Unterstützt wurden die Bestrebungen vom Mubadala-Fonds, der bei einem Verkauf durch seine Verträge mit Wefox begünstigt gewesen wäre, sowie vom damaligen Neo-CEO Mark Hartigan. Wie die "Daily Mail" damals berichtete, wäre Hartigan für den Deal mit 20 Millionen Euro vergütet worden. Gründer und andere Investoren, die aufgrund weniger vorteilhafter Vertragsbedingungen durch die Finger geschaut hätten, stellten sich erfolgreich gegen den Verkauf. 

Österreich-Geschäft wächst
Wenig zu beanstanden dürfte es konzernintern am Österreich-Geschäft geben. Der Jahresabschluss für 2024 ist zwar noch nicht veröffentlicht. Jedoch ist die Zahl der Makler, die über das SaaS-Partnerportal arbeiten, laut Unternehmensangaben um 11,4 Prozent auf 275 regionale gewerbliche Betriebe mit 680 Personen gestiegen. Über die Wefox-Software wird ein Prämienvolumen von 430 Millionen Euro betreut, was einer Steigerung um 14,4 Prozent gleichkomme, wie es heißt. In Österreich baut Wefox auf den Verbund "Die Maklergruppe" auf, mit dem das Start-up vor rund fünf Jahren fusionierte.

Bei Wefox Österreich kam es vor etwa zwei Jahren zu einem Generationenwechsel. Das neue Führungsteam hat seitdem etliche neue Kooperationen geschlossen, etwa mit Froots, Durchblicker oder Infina. (eml)

*Update: Die Schweizer Mutter erklärte Tage nach der erbetenen Antwortfrist, beziehungsweise nach der Veröffentlichung des Artikels, dass die gesellschaftsrechtlichen Schritte und die "Umhängung" Österreichs in die Niederlande "eine Folge der Refinanzierungsaktivitäten" sei. Die Veränderungen stünden "im Zusammenhang mit den verschiedenen Finanzierungsrunden mit teils unterschiedlichen Investoren". Für die österreichische Gesellschaft habe sich nichts geändert, wie betont wird.