Paradoxe Situation: Variable Kredite teurer als Fixzinsen
Österreichische Häuslbauer und Wohnungskäufer mussten sich in den vergangenen drei Monaten erneut mit einem Anstieg der Kreditzinsen auseinandersetzen. Gleichzeitig sind Anomalien zu beobachten, die einen Zinsrückgang andeuten.
Der regelmäßige Kreditindex (IKI) des österreichischen Kreditbrokers Infina zählt derzeit zu den spannendsten Unterlagen für Wohnraumsuchende und Marktbeobachter. Keine andere für die allgemeine Öffentlichkeit aufbereitete Analyse signalisiert so gut, wie sich die Notenbankpolitik fortlaufend auf den einzelnen Kreditnehmer auswirkt und was von den Währungshütern in den kommenden Monaten zu erwarten ist. Beim soeben veröffentlichten neuen Drei-Monats-Bericht setzen die Analysten von Infina nun eine rote Signalflagge und deuten an, dass es zu einem Ende der Leitzinserhöhungen kommen könnte.
Während der durchschnittliche Nominalzins bei einem Kredit österreichischer Banken mit zehnjähriger Fixzinsbindung derzeit 4,076 Prozent ausmacht, sind es bei 20-jähriger Bindung erstaunlicherweise nur 3,974 Prozent per annum. Dem gegenüber steht wiederum das Bild bei den variablen Krediten (Basis Drei-Monats-Euribor), die sehr viel höher verzinst sind, nämlich mit durchschnittlich 4,23 Prozent – eine Anomalie, denn normalerweise müsste das alles umgekehrt sein: In der Regel sind die Zinsen umso höher, je länger die Laufzeiten. Diese sogenannte Inversion der Zinskurve tritt oft vor Rezessionsphasen auf. Sie kann je nach Situation zum Beispiel damit begründet werden, dass sich Investoren in Erwartung sinkender Zinssätze mit Langläufern eindecken, was auf die Rendite drückt.
Swap-Märkte und Körberlgeld für Banken
Die Entwicklung, für die Infina die Daten von zwölf regionalen und überregionalen österreichischen Banken auswertet, spiegelt jedenfalls die Verhältnisse an den Swap-Märkten wider, an denen die Banken ihre Geschäfte absichern: Der 20-jährige Euro-Swapsatz lag per 3. April mit 2,774 Prozent deutlich unter dem zehnjährigen (2,911 Prozent), und dieser wiederum lag unter dem Drei-Monats-Euribor von 3,053 Prozent, der in den meisten Fällen der Maßstab für österreichische variable Kredite ist. Grundsätzlich ist die inverse Kreditkurve wirtschaftlich kein positives Signal, da die Zuverlässigkeit, in der eine Konjunkturdelle folgte, in den vergangenen Jahren einigermaßen hoch war. Immerhin steigt damit aber zumindest für Kreditnehmer "die Hoffnung, dass es im weiteren Verlauf 2023 bereits zu einer ersten Leitzinssenkung der Fed kommen könnte", schreiben die Infina-Experten.
Sie haben beim aktuellen Kreditindex außerdem errechnet, dass einige Banken die Verschiebung nutzen, um relativ unbemerkt ihre Margen zu optimieren. Während die langfristigen Swapsätze (zehn und 20 Jahre) zuletzt zurückgingen, zogen die Kreditinstitute im Schnitt Verteuerungen ein: Obwohl sich der Zehn-Jahres-Swap um 14,9 Basispunkte (BP) verbilligte, steigerten die Banken laut Infina ihre Neuvergabekonditionen für zehnjährige Fixbindungen um 5,3 Punkte. Und die 15-jährigen Neubindungen verteuerten sich um fünf Basispunkte, während es am Markt eigentlich um 8,5 BP bergab ging. Umgekehrt senkten die Banken bei den variablen Krediten ihre Marge um fünf BP.
Hohe Mehrbelastung für Kreditnehmer
Für Kreditnehmer bleibt die Situation, in der die Europäische Zentralbank (EZB) seit Mitte des Vorjahres die Leitzinsen von null auf 3,5 Prozent angehoben hat, alles in allem belastend. Das zeigt ein Berechnungsbeispiel für Neuabschlüsse eines 25-jährigen Kredits über 100.000 Euro, wobei 20 Jahre fix verzinst sind. Von April 2022 bis April 2023 stieg die durchschnittliche effektive Rate von 437,09 auf 543,96 Euro. Das entspricht einer Teuerung um 1.282,44 Euro pro Jahr. Im Falle eines Kreditbetrags von 300.000 Euro entspräche dies bereits einer jährlichen Mehrbelastung von 3.847,32 Euro, so die Infina-Experten.
Im variablen Bereich waren die zusätzlichen Aufwendungen der Kreditnehmer noch höher: Von April 2022 bis April 2023 stieg allein bei 100.000-Euro-Krediten die durchschnittliche Effektivrate für 25 Jahre um 2.236,08 Euro pro Jahr. (eml)
Service: Link zur gesamten Studie (externe Weiterleitung zur Infina-Homepage)