Hälfte der Jungfamilien scheitert an neuen Kreditregeln
Unmittelbar vor einer entscheidenden Sitzung, in der die neuen Kreditregeln besprochen werden sollen, machen die Banken Druck auf das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG): Eine leichte Anhebung der erlaubten Schuldendienstquote würde bereits Verbesserungen bringen, heißt es.
Von Sitzungen des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) nimmt die Öffentlichkeit für gewöhnlich wenig Notiz. Anders diesmal: Wenn das Gremium Anfang kommender Woche zusammentritt, steht eine Diskussion über die heuer mit der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) eingeführten Kreditvergabestandards auf dem Plan.
Die neuen strengeren Regeln haben sich zum Politikum entwickelt. Nach ihrer Einführung im August ist bei den Banken die Kreditvergabe an private Haushalte stark eingebrochen. In einer Aussendung kurz vor der FMSG-Sitzung legt Willi Cernko, Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich, nun aktuelle Zahlen vor. Demnach kann mehr als die Hälfte der Jungfamilien die seit August geltenden Vorgaben nicht erfüllen. Bei den Neukreditvergaben entfallen in der Regel rund 40 Prozent auf Jungfamilien.
Ausnahmekontingente zu einem Drittel durch Zwischenfinanzierung belegt
Zwar könnten diese gescheiterten Anträge teils in die Ausnahmekontingente aufgenommen werden, die die Verordnung den Banken zugesteht. Die Kontingente sind aber zu klein, um den Kreditbedarf von Jungfamilien abzudecken. Vor allem, weil diese Sondertöpfe schon durch Zwischenfinanzierungen ausgeschöpft sind (FONDS professionell ONLINE berichtete). Mehr als ein Drittel der zur Verfügung stehenden Ausnahmekontingente ist laut Bundessparte Bank allein durch solche Finanzierungen belegt.
Cernkos Wunsch an das FMSG: Für Jungfamilien und Kreditnehmer unter 36 Jahren würden bereits geringe Anpassungen Verbesserungen bringen. Eine Anhebung der erlaubten Schuldendienstquote von 40 auf 45 Prozent des Nettoeinkommens, sowie eine Ausdehnung der Beleihungsquote von 90 auf 95 Prozent könnten das Ausnahmekontingent "massiv entlasten".
Wenig Eigenheimbesitzer im Vergleich
Im europäischen Vergleich sei die österreichische Eigentumsquote ohnehin niedrig. Während in Italien 74 Prozent der Bevölkerung Wohneigentum besitzen, in Tschechien 78 Prozent und in Frankreich 65 Prozent, so sind es in Österreich nur 54 Prozent.
Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat die KIM-VO auf Basis einer FMSG-Empfehlung erlassen. Hintergrund ist ein europäischer: Hätte Österreich nicht gehandelt, hätte es eine für den heimischen Finanzmarkt unangenehme Warnung des EU-Systemrisiko-Rats (ESRB) gegeben (mehr dazu im neuen Heft FONDS professionell 4/2022). Was die europäischen Aufseher sorgt: Österreichs Banken, die nun eine Lockerung fordern, hatten jahrelang die unverbindlichen Empfehlungen des FMSG ausgereizt. Zum Beispiel ist fast die Hälfte des ausstehenden Kreditvolumens an private Haushalte variabel verzinst. In Zeiten steigender Zinsen kann das zur Gefahr für die Finanzmarktstabilität werden, wenn Haushalten massenweise ihre Kreditraten nicht mehr zahlen können. (eml)