"Wer tatsächlich physisches Gold will, sollte es auch selbst besitzen"
Gold gilt als sicherer Hafen für Anleger. Doch genau das, was Gold ausmacht, es ist selten, wird nun zum Risiko. "Lieferengpässe könnten in Panikreaktionen und Milliardenverlusten münden", warnt Thorsten Fischer von Moventum AM. Anleger sollten daher Vorsicht walten lassen.
Die erhöhte globale Unsicherheit sowie Goldkäufe der Zentralbanken lassen das Edelmetall glänzen. Sein Preis liegt heute rund ein Drittel höher als vor zwölf Monaten und zwei Drittel höher als vor drei Jahren. Besonders gefragt sind Finanzinstrumente, die eine tatsächliche Lieferung von physischem Gold vorsehen und nicht nur eine Barausgleichszahlung. Thorsten Fischer, Managing Director und Head of Portfolio Management bei Moventum Asset Management, rät allerdings Kunden, die physisches Gold möchten, es auch selbst zu besitzen – nicht nur auf dem Papier. Dafür führt er in einem Kommentar eine Reihe von Gründen an.
Fischer zufolge birgt die aktuell hohe Nachfrage Risiken. So warnt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem jüngsten Financial Stability Review davor, dass die Zahl der Gold-Lieferverpflichtungen für Januar 2025 einen neuen Höchststand erreicht hatte – ähnlich wie vor der Finanzkrise 2007. Das könnte zu Engpässen bei der physischen Verfügbarkeit des Edelmetalls führen.
Vermehrte Goldtransporte
Ein weiteres Warnsignal seien vermehrte Goldtransporte zwischen den großen Handelszentren. London, das traditionell als bedeutender Lagerplatz fungiert, verzeichnet Abflüsse. US-Investoren sind bereit, höhere Preise in New York zu zahlen mit einer Differenz von teils über 50 Dollar pro Feinunze. "Diese Preisunterschiede ermöglichen Arbitragegeschäfte großer Banken, die auf den Handel, die Lagerung und die Abwicklung von Edelmetallen spezialisiert sind, die komplexe Absicherungsstrategien fahren", so Fischer. Das Risiko dabei: Wenn das Gold nicht rechtzeitig geliefert werden kann, drohen erhebliche Verluste.
Darüber hinaus können auch geopolitische Spannungen die Nachfrage nach dem Edelmetall steigern. Sollte etwa Russland über Drittparteien große Mengen physischen Goldes abrufen, könnte dies die Lieferkapazitäten internationaler Banken übersteigen. Dies würde Preisexplosionen und Panikreaktionen an den Finanzmärkten nach sich ziehen. Parallel dazu baut China seine Goldreserven kontinuierlich aus, um sich vom US-Dollar unabhängiger zu machen.
Short Squeeze
Die größte Gefahr sieht die EZB Fischer zufolge in einem Short Squeeze: Investoren setzen auf einen fallenden Goldpreis und verkaufen daher auf Termin, ohne es zu besitzen. Wenn dann der Preis wider Erwarten steigt, geraten Leerverkäufer unter Druck und kaufen Gold, um ihre Verluste zu begrenzen. "Wenn die physische Lieferung nicht termingerecht erfolgt, sind teure Nachkäufe unausweichlich", erklärt Fischer. "Das kann für Banken Verluste in Milliardenhöhe bedeuten, im schlimmsten Fall drohen Insolvenzen. Besonders kritisch ist, dass viele dieser Geschäfte außerbörslich abgewickelt werden, was die Risikoübersicht für Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer erschwert."
"Produkte mit physischem Lieferanspruch sollten genau analysiert werden", rät Fischer daher Anlegern. Wer tatsächlich physisches Gold wolle, sollte es auch selbst besitzen. Zudem sollte geklärt werden, wo das Edelmetall liegt, wer die Lieferung garantiert und wie schnell es verfügbar ist. "Das sind entscheidende Fragen bei der Auswahl von Anlageprodukten", so der Experte.
"Meiden sollte man komplexe Derivate, insbesondere außerbörsliche Produkte. Wer sie nutzt, sollte die Struktur und Sicherheiten genau verstehen." Und schließlich muss das Timing beachtet werden – in geopolitisch angespannten Zeiten oder bei Marktenge kann physisches Gold kurzfristig schwer oder nur teuer verfügbar sein. "Langfristige Planung ist hier der Schlüssel", so Fischer. (fp)