Vorsicht bei "Nein zu ESG" in der Anlageberatung
Die Nachhaltigkeits-Vorgaben in der ESG-Beratung sind weiterhin zu kompliziert, kritisieren die Rechtsanwälte Andreas Zahradnik und Christian Richter-Schöller.
Lang nach der gesetzlichen Verankerung von ESG-Kriterien (ökologisch, sozial, Unternehmensführung) in der Anlageberatung gibt es in der Praxis noch immer viele Unklarheiten. Bereits seit August 2022 müssen Anlageberater Nachhaltigkeits-Faktoren berücksichtigen. In der Realität gibt es häufig Schwierigkeiten, weil die Vorgaben zu komplex sind, kritisierten die Wiener Anwälte Andreas Zahradnik und Christian Richter-Schöller (Kanzlei Dorda) unlängst bei einer Informationsveranstaltung in Wien.
Eines der Probleme ist die Langwierigkeit, wenn Kunden angeben, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Mitunter sind dann Dutzende Fragen zu beantworten – oft mit dem Ergebnis, dass der Berater dem Kunden am Ende sagen muss, dass er für seine konkreten Bedürfnisse kein Produkt hat. Frustrierend ist das auch für den Kunden, der nach einer umfassenden Beratung keine Empfehlung bekommt. In der Folge sei oft die "Nein-Quote" – also eine Abwahl von ESG-Kriterien durch die Kunden – sehr hoch, so Zahradnik und Richter-Schöller.
Eine Lenkung der Kunden in diese Richtung sei indes nicht erlaubt. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) habe mittlerweile einen Blick darauf, wenn in Betrieben die ESG-Negierung sehr hoch sei, so die Experten.
Klagen in den USA
Darüber hinaus sei auch ein Nein der Kunden zu ESG nicht unproblematisch. Zahradnik und Richter-Schöller verweisen auf die Klagswelle in den USA, wo Vermögensverwalter wegen der Berücksichtigung von Nachhaltigkeits-Kriterien belangt werden. Die Kläger bringen dabei den Vorwurf des mangelnden Konsumentenschutzes vor, weil die Nachhaltigkeit über die Rendite gestellt worden sei. Auch in Österreich müsse man sich mit Blick auf diese Entwicklung fragen, wie man vorgeht, wenn ein Kunde ausdrücklich keine Nachhaltigkeit wünscht, so die beiden Experten. Wesentlich sei die Abklärung mit den Kunden und die schriftliche Dokumentation der Entscheidungsfindung.
Generell wird die Komplexität bei dem Thema nicht geringer. Zu den bestehenden Regelungen kommt zum Beispiel gerade die Fondsnamen-Richtlinie dazu, die unter anderem mit der Begrifflichkeit Verwirrung stiftet. Neue Fonds müssen seit 21. November 2024 einen Mindestanteil von 80 Prozent an entsprechenden Investments tätigen, wenn sie ESG oder Ähnliches im Produktnamen suggerieren (bestehende Fonds ab 21. Mai 2025). Wer wiederum Begriffe wie "Sustainability" verwendet, muss einen Anteil "sustainable" investieren, der "meaningful" ist. Wie viel darunter verstanden wird, bleibt offen. Dass es keine quantitative Einordnung gibt, ist schwer nachvollziehbar.
Ebenso gibt es immer wieder Schnittstellenprobleme entlang der Frage, ob sich ein Produkt nun an der Nachhaltigkeit nach der EU-Taxonomieverordnung (vorerst hauptsächlich Umweltschwerpunkt) oder nach der Offenlegungsverordnung (auch Soziales) richtet, wie die beiden Experten betonen. (eml)