Vermögensexperte: Manche ETF-Anleger geraten unbewusst in Schieflage
Indexfonds sind nicht ganz so simpel, wie es den Anschein hat. Anlageexperte Dyrk Vieten warnt vor unbewussten Ungleichgewichten, die ein Investment in vermeintlich breite Marktindizes mit sich bringen kann.
Börsengehandelte Indexfonds erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Viele Investoren bevorzugen im Sinne einer breiten Streuung ETFs auf große Marktindizes. "Davon versprechen sie sich die optimale Allokation ihres Vermögens in weltweit operierende Topunternehmen aus verschiedenen Branchen", sagt Dyrk Vieten, Sprecher der Geschäftsführung der Düsseldorfer Ficon Vermögensmanagement. Auf den ersten Blick geht dieses Kalkül auf. Der MSCI World zum Beispiel besteht aus rund 1.600 Einzelaktien aus 23 Industriestaaten. Auf den zweiten Blick bringen ETF-Anleger aber mit dem Fokus auf breite, nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes oft ihr Portfolio unbewusst in Schieflage.
In globalen Indizes spielen die USA eine große Rolle. Beispiel MSCI World: Die größten Werte darin sind Apple, Microsoft, Amazon, die Google-Mutter Alphabet und Facebook. Sie haben eine Marktkapitalisierung von 5,5 Billionen Euro. "Zum Vergleich: Alle Unternehmen im deutschen Leitindex Dax zusammen haben eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 1,1 Billion Euro", sagt Vieten. Anders ausgedrückt: Im MSCI World haben die 55 deutschen Unternehmen, die momentan darin geführt werden, einen Anteil von gerade einmal 2,8 Prozent. Unzweifelhaft verfügen die USA mit der Wall Street über die wichtigste Börse des Planeten und sind dank ihrer weit entwickelten Aktienkultur konsequenterweise auch das mit Abstand wichtigste Land im weltumspannenden MSCI-Index. Dennoch sollten sich ETF-Interessenten selbstkritisch fragen, ob ein US-Anteil von mehr als 65 Prozent nicht doch ein wenig zuviel des Guten ist.
Passive Anlage, aktive Allokation
ETF-Anleger setzen sich mit der wohl nicht immer gewollten Konzentration auf die USA einigen Risiken aus, warnt Vermögensverwalter Vieten. So setzen sie überdurchschnittlich stark auf Technologiewerte. Zudem gehen sie ein Währungsrisiko ein. "Das kann durchaus Relevanz besitzen", sagt Vieten. "Der US-Dollar schwächelte während der Coronakrise, und in Kombination mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken in den USA, Stichwort Präsidentschaftswahl, sprechen Experten schon von einer Crash-Gefahr bei der wichtigsten Währung der Welt." Im laufenden Jahr hat der Greenback gegenüber dem Euro bereits um mehr als fünf Prozent abgewertet.
Anleger sollten ihre Indexfonds-Positionen kritisch prüfen, rät Vieten. Sie sollten untersuchen, ob die aktuelle Allokation mit ihrem Rendite-Risiko-Profil übereinstimmt und ob sie aus Renditesicht überhaupt sinnvoll ist. So werden die USA wohl nicht für alle Zeiten der wichtigste Markt für Investoren bleiben, Asien gewinnt stetig an Bedeutung. "Auch wenn es einfach erscheint, in einen ETF zu investieren, sollte die strategische Planung nicht zu kurz kommen", mahnt der Anlageprofi. "Ein ETF ist zwar ein passives Investment, aber die persönliche Allokation setzt immer eine aktive Entscheidung des Anlegers voraus." (fp)