Oft treten die Vorfälle in Wellen auf. Kreditnehmer stoßen in sozialen Medien oder über die Suchmaschinenwerbung plötzlich gehäuft auf sogenannte "Finanzsanierer", die bei der Umschuldung eines Kredits behilflich sein wollen, die angeblich Zahlungserleichterungen mit Gläubigern verhandeln oder die auf irgendeine andere Weise die Verschuldung sogar bei schlechten Bonitäten "zu fairen Konditionen" und vor allem "nachhaltig" und "diskret" in Luft auflösen.

In Wirklichkeit sind nach so einer Werbeflut viele Kreditnehmer ärmer und verzweifelter als davor. Christoph Prantner, Finanzexperte der Arbeiterkammer (AK) Wien berichtet von Konsumenten, die sich eingeschüchtert oder sogar verbal bedroht fühlen oder die mit Klagsankündigungen und besorgniserregend hohen Inkassoforderungen konfrontiert werden. Allein die AK Oberösterreich registrierte in den zwei Jahren ab Mitte 2022 rund 1.100 Anrufe wegen Problemen mit Finanzsanierern. In der AK Wien sei es wiederum "vergangenen Herbst wieder einmal richtig rund gegangen", wie Prantner berichtet. Auf Österreich hochgerechnet dürften es Tausende Betroffene sein.   

Spesen für zweifelhafte Leistung
Das Muster, nach dem die Finanzsanierer vorgehen, ist immer ähnlich. Ein Vermittlungsunternehmen schließt mit dem Konsumenten einen kostenpflichtigen Vermittlungsvertrag ab. Dann wird der Kunde an das eigentliche Finanzsanierungsunternehmen weitergeleitet, wo wiederum für einen Finanzsanierungsvertrag zu zahlen ist. Typischerweise können dabei um die tausend Euro an Gebühren anfallen, die oft eine "Kaution" enthalten, deren Rückzahlung aber fraglich ist. Dazu können auf monatliche Raten noch Spesen in Höhe von saftigen 15 Prozent kommen. 

Oft werden die von den anfangs nicht ersichtlichen Kosten überraschten Konsumenten unter Druck zur Einzahlung bewegt. Leute, die schockiert von den realen Konditionen aussteigen wollen, erhalten dann weiter Inkassoforderungen oder sie werden wegen angeblich "unrechtmäßigen Rücktritts" erst gar nicht aus dem Vertrag gelassen.

Kein Fall einer erfolgreichen Sanierung bekannt
Zweifelhaft ist auch, was tatsächlich geboten wird. Versprochene Verhandlungen mit den Gläubigern finden entweder nicht statt, wie betroffene Konsumenten klagen. Oder "Sanierungsgespräche" mit den Gläubigern werden so lange hinausgezögert, dass erst wieder Mahnspesen anfallen. Die AK kennt bisher keinen Fall, in dem es zu einer erfolgreichen Finanzsanierung im Sinne der Konsumenten kam.

Zudem berichten die Kunden übereinstimmend, dass sich die Versprechungen in der mündlichen Beratung von den Angaben in den Unterlagen oder im Kleingedruckten stark abheben. Viele Betroffene glauben, bei den Raten, die sie zahlen, handelt es sich um einen Tilgungsträger, mit dem der alte Kredit umgeschuldet wird. Zur Kreditvermittlung haben die Finanzsanierer allerdings keine Berechtigung, schon gar nicht zur Entgegennahme von Kundengeldern, die unter das Bankwesengesetz fällt. Sämtliche bekannte Problemfälle verfügen – wenn überhaupt – über Berechtigungen in Bereichen wie dem Bürogewerbe. Auf der Homepage oder in den Unterlagen weisen die Unternehmen denn auch darauf hin, dass keine Kreditvermittlung stattfinde. Was laut den Konsumentenschützern aber eine erstaunlich große Zahl an Kunden nach dem Beratungsgespräch ganz anders versteht.

Gesetz, Ministerium und Ermittler gefragt
AK-Finanzexperte Prantner ist wegen des "sprunghaften Anstiegs" in den vergangenen Jahren alarmiert und will, dass es zu einer Lösung auf höherer Ebene kommt. Er kündigt ein Schreiben an das Wirtschaftsministerium als oberste Gewerbebehörde an. Bisher hätten die Gewerbebehörden (zuständig sind im Einzelfall die Bezirksämter oder Magistrate) die Sache nicht ausreichend ernst genommen – ebenso wie die Ermittlungsbehörden, die ihre Untersuchungen in der Regel kurz nach der Anzeige wieder einstellten.

Offenbar nicht groß eingeschlagen ist bis jetzt auch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien (StA). Anfang Februar ging nach Informationen von FONDS professionell ONLINE eine Sachverhaltsdarstellung zum insolventen Unternehmen Debitoria ein. Kunden fragen sich zum Beispiel, was aus Ratenzahlungen wurde, die Debitoria aus ihrer Sicht treuhänderisch verwahren hätte müssen. Eine Sprecherin der StA antwortete bisher nicht auf eine Anfrage, ebenso wie der Masseverwalter von Debitoria.

Finanzberater gegen Verbot
Die AK fordert nun Verschärfungen im österreichischen Verbraucherkreditgesetz (VKrG), was wiederum bei den seriösen Finanzdienstleistern Sorgen auslöst. Das Gesetz wird gerade novelliert, weil die Verbraucherkredit-Richtlinie der EU eingearbeitet werden muss. Am sichersten wäre es aus Sicht der Konsumentenschützer, wenn eine Schuldenregulierung allein die anerkannten Schuldenberatungen anbieten würden. Dagegen allerdings wehrt sich der Fachverband der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer. Denn die Vermögensberater unterstützen ihre Kunden natürlich regelmäßig auch, wenn es zu Liquiditätsfragen kommt.

Auch die Vermögensberater wollen eine Lösung, weil die windigen Praktiken den Ruf der Branche schädigen. Ein gesetzliches Verbot ist für sie aber keine Option. Die Vermögensberater sehen sich dadurch für das Verhalten betrügerischer Unternehmen bestraft, die mutmaßlich auch neue gesetzliche Barrieren wieder umgehen. Dass etwas unternommen werden muss, scheint nicht zuletzt mit Blick auf das Programm der neuen Regierung klar: "Gezielte und effektive Lösungen gegen dubiose Finanzsanierungspraktiken", heißt es dort.

Wettbewerbsverband unternimmt Schritte
Unlängst hat der Finanzdienstleister-Fachverband etliche der Unternehmen beim Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb gemeldet. Dort gehen die Juristen davon aus, dass ein Vermögensberatergewerbe bereits nötig wäre, wenn jemand nur den Eindruck einer Beratung erweckt. Damit würden die "Finanzsanierer" völlig außerhalb des Gesetzes agieren. Gerichtsentscheidungen stützen diese Ansicht. Man habe erreicht, dass von knapp zehn kontaktierten Betrieben die meisten eine Unterlassungserklärung abgegeben oder ihren Betrieb eingestellt haben. Wobei zu erwähnen ist, dass wohl einige schlicht wegen Insolvenz verschwunden sein dürften.

Für die Konsumentenschützer ist der Wegfall einzelner Problembetriebe kein wirklicher Erfolg. "Ein Problem ist, dass diese Unternehmen oft aus dem Ausland heraus operieren. Aus Serbien, Spanien, Deutschland, der Schweiz. Verschwinden diese, entstehen gleich darauf wieder neue", so AK-Experte Prantner. Es müsse eine bessere europaweite Zusammenarbeit der Behörden geben. Auch sei wünschenswert, dass sich die Finanzmarktaufsicht (FMA) der Thematik annimmt, schließlich würden die Unternehmen mit der Entgegennahme von Kundengeldern wie Kreditinstitute agieren. Außerdem müsse der Begriff "Finanzsanierung" verboten werden. Dieser sei von Beginn an bewusst gewählt worden, weil er auf den ersten Blick wie "Finanzierung" aussieht.

"Urmutter" der Finanzsanierer
Man schleppe das Problem schon seit rund 20 Jahren mit, sagt Prantner. Als zweifelhaftes "Pionierunternehmen" sieht man in der AK die mittlerweile untergegangene Schweizer Gesellschaft Helvetica Finanz AG, die 2006 mit ersten Angeboten unter dem Begriff "Finanzsanierung" auffiel. Seitdem schießen regelmäßig Nachfolger aus dem Boden, die oft nach ein paar Jahren in der Insolvenz landen um in einer anderen Form wieder auftzutauchen, meist mit den selben handelnden Personen. Wer auf Datenportalen wie "Northdata" sucht, findet unter manchen Namen ein einziges Geflecht an ausgegrauten Linien, also an liquidierten Gesellschaften, neben denen sofort neue entstanden sind.

Bis jetzt blieb der AK nichts, als mühsam einzelne Klauseln zu beanstanden. Mit Erfolg etwa gegen Unternehmen wie Debitoria (69 Cg 106/23x, 16.10.2023), wo nicht weniger als 38 Vertragsbedingungen unzulässig waren oder gegen A-Z Finanzmagement GmbH (42 unzulässige Klauseln: 57 Cg 5/24h, 28.02.2024). Beide sind im Konkurs. Vermögen ist nicht vorhanden. (eml)