Private Equity: "Volatilitäts-Illusion" birgt Risiken
Vorsicht Trugbild: Durch die meist nur vierteljährliche Berichterstattung werden Wertschwankungen von Private-Equity-Investments systematisch geglättet, was ein verzerrtes Bild mit vermeintlich erheblich geringerer Volatilität erzeugt. Ein Experte klärt auf.
"Stell dir vor, Du befindest Dich am Ende eines brutal schlecht gelaufenen Quartals", leitet Robin Powell, Gründer und Herausgeber des britischen Infodienstes "The Evidence-Based Investor", ein Essay ein, das er für den kalifornischen Honorarberater "Index Fund Advisors" verfasst hat. Er fährt fort: "Dein öffentlich gehandeltes Aktienportfolio liegt 15 Prozent im Minus, deine Anleihen haben sich kaum bewegt, und du spürst dieses vertraute Ziehen im Magen, während du durch das Kursmassaker scrollst. Dann wirfst du einen Blick auf deine Private-Equity-Allokation und siehst: nur ein leichtes Minus von 1,5 Prozent."
Erleichterung breite sich aus, so Powell weiter. Genau deshalb habe man ja in alternative Anlagen diversifiziert, oder? Der Private-Equity-Anteil des Portfolios sei kaum beschädigt. Solche Investments würden vielen Anlegern das Gefühl von Stabilität geben, weil die dafür ausgewiesenen Renditen im Vergleich zu Aktien- oder Anleihenmärkten erstaunlich glatt und wenig volatil wirken würden.
Schmerzmittel, das nur Symptome lindert
Doch es sei eine trügerische Sicherheit, die durch dieses Bild vermittelt werde, warnt Powell, "vergleichbar mit einem Schmerzmittel, das die Symptome lindert, ohne die eigentliche Verletzung zu heilen". Als Ursache dafür nennt er die Bewertungsmethoden. "Private-Equity-Anlagen werden nur selten und meist nach subjektiven Maßstäben neu bewertet", schreibt er. Die "schönen" Zahlen spiegelten also häufig nicht die reale Marktentwicklung wider, sondern nur eine zeitliche Verzögerung oder Glättung. Privatanleger und institutionelle Investoren würden sich gewissermaßen selbst täuschen durch ihr Vertrauen, dass sie ihr Risiko tatsächlich reduzieren, obwohl sie in Wahrheit nur dessen Wahrnehmbarkeit verringern würden.
Nicht ohne Grund werde dieses Phänomen daher auch als "Volatilitäts-Washing" bezeichnet, eben weil Wertschwankungen nicht verschwinden würden, sondern lediglich später sichtbar werden. "Zum Glück müssen wir uns nicht auf theoretische Argumente über eine verborgene Volatilität verlassen", so Powell, "denn vor unseren Augen läuft ein natürliches Experiment ab." Bereits seit 1987 würden einige Private-Equity-Fonds öffentlich an der Londoner Börse gehandelt. Und es seien keine kleinen, unbekannten Vehikel, sie würden vielmehr von global agierenden Playern wie Harbourvest, Pantheon und ICG Enterprise Trust gemanagt, die drei- bis vierstellige Milliardenbeträge verwalten.
Einzigartiges Experimentierfeld
"Diese Fonds stellen sowohl den intern berechneten Net Asset Value (NAV) als auch einen realen Marktpreis bereit, der durch tatsächliche Kauf- und Verkaufsaktivitäten bestimmt wird", erklärt Powell. Diese Börsennotierung schaffe ein einzigartiges Experimentierfeld, um die bislang nur sehr schwer fassbare tatsächliche Volatilität von Private Equity greifbar zu machen.
Das habe sich zum Beispiel in den Forschungsergebnissen von Jamil Baz, Head of Client Solutions and Analytics bei Pimco, und dessen Team gezeigt. Für ihre Analysearbeit mit dem Titel "The Value of Smoothing" haben die Experten zehn der größten und liquidesten an der Londoner Börse gelisteten Private-Equity-Fonds über ein Jahrzehnt beobachtet. "Dabei zeigte sich, dass die echte wirtschaftliche Volatilität von Private Equity mit etwa 30 Prozent viel höher ausfällt, als die üblicherweise kommunizierten Zahlen von rund zehn Prozent", resümiert Powell.
Systematisch geglättet
Er nennt gleich eine weitere wissenschaftliche Arbeit zum Thema. Autor dieser Studie ist Mark Anson, Chief Executive Officer von Commonfund, einer seit 1971 bestehenden gemeinnützigen Asset-Management-Organisation in den USA, die auf die Betreuung institutioneller Anleger, insbesondere Non-Profit-Institutionen wie Stiftungen, Hochschul-Endowments und Versorgungswerke spezialisiert ist. In seiner 2024 erschienen Arbeit mit dem Titel "Amortizing Volatility across Private Capital Investments" zeigt Anson detailliert auf, wie Private-Equity-Manager systematisch die Schwankungen in ihren Berichten glätten und so ein verzerrtes Bild mit geringerer Volatilität erzeugen.
Beide Studien belegen damit nach Ansicht von Powell, dass die tatsächlichen Risiken und die Volatilität im Private-Equity-Bereich deutlich unterschätzt werden. Die Glättung der Renditen ähnele dem Fotografieren einer belebten Straße mit einer Langzeitbelichtung: Statt der einzelnen Autos sehe man nur eine ruhige, gewissermaßen glatte Straße, obwohl im Detail ständig Bewegung und Schwankungen vorhanden seien.
Vermeintliche Stabilität
Eben weil Private Equity seine Assets oft nur quartalsweise bewerte, verberge man damit kurzfristige Schwankungen und verleihe seinen Berichten eine trügerische Stabilität. Powell: "Dieses Vorgehen führt zu einer 'Volatilitäts-Fata-Morgana', hinter der sich ein viel volatileres und risikoreicheres Investment verbirgt."
Aus Sicht der Investoren stelle sich zudem das Problem eines sogenannten Liquiditätsabschlags. Der in den Studien beobachtete Abschlag von rund 30 Prozent an der Börse spiegele die Skepsis wider in Bezug auf die Frage, wie viel die Fonds tatsächlich wert seien, wenn man Illiquidität, Bewertungsungenauigkeiten und Risiken berücksichtige. Und diese "Liquiditätsprämie" sei ein Marktmechanismus, der die Schwierigkeiten beim schnellen Ausstieg aus solchen Investments sowie die Zweifel an der Nachhaltigkeit der glatten Renditen und Bewertungen reflektiere.
Powells Ratschläge
Nach Auffassung des Experten ergeben sich aus diesem Gesamtbild eine Reihe bedeutender Handlungsempfehlungen für Investoren als auch Berater im Bereich Private Equity. Wir haben seine Ratschläge in einer kompakten Bildergalerie zusammengefasst – klicken Sie sich durch unsere Bilderstrecke oben. (hh)















