Bereits seit dem 1. Jänner 2023 müssen Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) für ihre in der Europäischen Union (EU) vertriebenen OGAW-Sondervermögen neue Infoblätter bereitstellen. So legt es die Verordnung über verpackte Anlageprodukte (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products, kurz: PRIIPs) fest. Vor dem PRIIPs-Start hatte die Branche befürchtet, viele Fonds könnten in den ersten Wochen des neuen Jahres nicht handelbar sein, da die veränderten Infoblätter eventuell noch nicht für alle betroffenen Produkte vorliegen würden. Zwar vollzog sich der Wechsel deutlich reibungsloser als erwartet. Doch einige Irritationen gibt es.

"Was viele Berater verwirrt, ist die Frage, welche Berechnungsmethoden den vier Performanceszenarien zugrunde liegen, die jetzt im PRIIPs-BIB angegeben werden müssen", berichtet Susan Staron, die beim Maklerpool Fondsnet in Erftstadt bei Köln die Partnerbetreuung leitet. "Es hat den Anschein, als würden die KVGen für die Berechnung der vier Szenarien unterschiedliche Methoden anwenden", sagt sie. 

Die vier Szenarien
In der Tat sind die Erläuterungen in den Basisinformationsblättern (BIBs), wie die neuen Infodokumente korrekt heißen, zum Teil nicht so leicht zu verstehen. Klar ist aber, dass KVGen die Performanceszenarien nach ganz bestimmten in der PRIIPs-Verordnung festgelegten Berechnungsmethoden zu ermitteln haben. Dabei gehen die Szenarien von einer günstigen, einer neutralen und einer ungünstigen Performance des Sondervermögens aus, zusätzlich wird ein Stress-Szenario angenommen. 

"Jedes Szenario wird für einen Zeitraum von einem Jahr berechnet sowie für die jeweils empfohlene Haltedauer des Fonds", erklärt Bernhard Bittner, Partner in der Financial Services Consulting Practice der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Bei einem Aktienfonds etwa wären dies fünf Jahre. 

Neue Methode
"Das Stress-Szenario wird wie in der ersten Fassung des PRIIPs-BIB nach der Cornish-Fisher-Methode ermittelt, da sich gezeigt hat, dass diese hier zu realistischen Werten führt", sagt Bittner. Bei den drei weiteren Szenarien hingegen hat der europäische Gesetzgeber auf eine neue Methode umgestellt. Dies soll vermeiden, dass es wie in den ursprünglichen PRIIPs-BIBs häufig zu unangemessen positiv dargestellten Performanceentwicklungen kommt.

"Bei der neuen Methode handelt es sich um eine historische Betrachtungsweise", so Bittner. "Dabei schaut man sich die Kursentwicklung eines Fonds in den vergangenen zehn Jahren an", erklärt er. Der Gedanke dahinter ist, dass es in einem Zehnjahreszeitraum immer einmal zu einem Crash kommt. Von der historischen Entwicklung des Fonds werden dann die Zukunftsszenarien abgeleitet. Dies führt zu realistischeren Prognosen, als das mit der Cornish-Fisher-Methode häufig der Fall war.

Benchmarks und Proxies
Ist ein Sondervermögen noch keine zehn Jahre am Markt, dürfen Asset Manager für die fehlende Zeit Vergleichswerte wie Benchmarks heranziehen. Bei einem europäischen Aktienfonds könnte das zum Beispiel der Euro Stoxx 50 sein. Als zweite Möglichkeit dürfen Proxies, also Entwicklungen von Stellvertreter-Finanzinstrumenten, herangezogen werden. Mit diesen Daten wird die Performance des Fonds sozusagen nach hinten "aufgefüllt".

Was Vermittler verwirren kann, ist die Tatsache, dass es, je nachdem wie lang ein Fonds am Markt ist, zu unterschiedlichen Berechnungsweisen für die drei Szenarien "günstig", "neutral" und "ungünstig" kommt. Dass zwischen Proxies und Benchmarks gewählt werden kann, macht die Sache auch nicht einfacher. 

Historische Daten oft noch zu sehen
Möchten Anleger lieber die alte, rein vergangenheitsbezogene Performancedarstellung sehen, können Berater ihnen diese für die meisten Fonds auch nach wie vor zeigen. Zwar nicht direkt im BIB, denn dort dürfen nur noch die neuen Performanceszenarien aufgeführt werden. Viele KVGen geben aber ganz unten im Infoblatt einen Link an, der zu ihrer Website führt. Und dort sind die historischen Daten dann zu sehen. (am)


Einen ausführlichen Bericht über den PRIIPs-Start und die neuen Basisinformationsblätter finden Sie in der aktuellen Heftausgabe von FONDS professionell 1/2023 ab Seite 270. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.