Nachhaltigkeitspräferenzen: Start mit Hindernissen für die Branche
Seit August dieses Jahres müssen Vermögensberater ihre Kunden auch zum Thema Nachhaltigkeit aufklären. Die neuen Regeln sind in der Praxis aber nicht ganz einfach umzusetzen.
Die regulatorischen Anforderungen an die Finanzberatung sind Anfang August erneut gewachsen. Mit der Delegierten Verordnung 2017/565 zur Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie Mifid II müssen in den individuellen Anlegerprofilen zusätzlich zu den Kenntnissen und Erfahrungen sowie den finanziellen Verhältnissen, den Anlagezielen und der Risikobereitschaft auch Nachhaltigkeitspräferenzen der Investoren erfasst werden. Im Vorfeld der Umsetzung sorgte die Frage nach der Anwendung der neuen Regeln in der Praxis durchaus für Verunsicherung. Jedenfalls mussten die Markteilnehmer ihre bisher schon aufwendigen Beratungsprozesse um den neuen Punkt ergänzen. Mittlerweile liegen bei Vertrieben und Haftungsdächern erste Erfahrungen vor, und es zeigt sich bereits, dass das Leben nicht einfacher wird. "Der Aufwand ist jedenfalls gewaltig, und es sind gerade in Bezug auf die zukünftigen Reportings noch viele Fragen offen", beschreibt Finanzadmin-Geschäftsführer Reinhard Magg die Situation. Vor allem die Datenlage vieler Produktanbieter sei derzeit oftmals noch unzureichend und bereite den Wertpapierfirmen Kopfzerbrechen.
Speziell Unternehmen wie etwa die Privatconsult, die sowohl in der Anlageberatung als auch in der Portfolioverwaltung tätig sind, sehen sich gefordert. Dabei stellt die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden die geringere Herausforderung dar, im Bereich der Produktanalyse sind hingegen noch nicht alle Probleme gelöst. Um den Kundenwünschen gesetzeskonform gerecht werden zu können, müssen alle angebotenen Fonds im Vorfeld analysiert und kategorisiert werden. "Dazu bedurfte es einer Erweiterung beziehungsweise Neuanschaffung bei diversen Datenanbietern, um hier ein entsprechendes Produktmatching herstellen zu können. Wir sind aber nun so weit gut aufgestellt, dass wir binnen kürzester Zeit für unterschiedliche Präferenzen auch Produkte finden können, sofern diese existieren, was vor allem im Bereich der Taxonomie eher die Ausnahme ist", erklärt Privatconsult-Geschäftsführer Stefan Ferstl. Damit weist er auf ein grundlegendes Problem im Zusammenhang mit dieser neuen Thematik hin.
Daten fehlen noch
Die Akteure verfügen zwar über Tools, um die Berater bei der Produktauswahl zu unterstützen, diese enthalten aber nicht alle benötigten Daten, um passende Fonds ausfindig machen zu können. "Die aktuellen Schwierigkeiten liegen in erster Linie darin, geeignete Produkte zu finden, da die meisten Anbieter noch sehr zurückhaltend dabei sind, entsprechende Quoten an nachhaltigen Investments in den ESG-Templates anzugeben", erklärt Ferstl. Diese Vorsicht der Fondsgesellschaften bei der Bereitstellung von ESG-Daten, hat nach Ansicht des Privatconsult-Managers auch mit möglichen Haftungsrisiken zu tun. Aber selbst wenn man die Daten bekommt, müsse bedacht werden, dass diese sich derzeit laufend ändern, was die Produktanalyse schwierig mache.
Über ähnliche Erfahrungen berichten auch andere Haftungsdächer wie Finanzadmin, wo den angebundenen Partnern in diesem Bereich ein eigenes IT-System zur Verfügung gestellt wird, das anhand der von den Kunden geäußerten ESG-Präferenzen einen automatischen Produktauswahlprozess durchführt: "Die größte Herausforderung stellt sich bei den Präferenzen gemäß Taxonomieverordnung, da diese einerseits erst teilweise umgesetzt ist und die meisten Finanzinstrumente nur einen sehr geringen prozentuellen Wert in dieser Kategorie aufweisen, sodass die Erwartungshaltung der Kunden nur sehr schwer mit dem Angebot an Finanzinstrumenten in Einklang zu bringen ist", erklärt Magg. Etwas deutlicher äußert sich Swiss-Life-Select-CEO Christoph Obererlacher, er gibt an, dass derzeit nur von zirka einem Drittel der Investmentfonds die entsprechenden Hintergrunddaten zur Verfügung stünden. Insofern ist es auch bei Swiss Life Select aktuell herausfordernd, die besagten Kundenpräferenzen in einem ausgewogenen Portfolio abzubilden. (gp)
Der komplette Artikel ist in der aktuellen Heftausgabe 3/2022 von FONDS professionell erschienen. Angemeldete Mitglieder von FONDS professionell ONLINE können den Artikel auch im E-Magazin lesen.