In gerade einmal gut 100 Tagen im Amt hat US-Präsident Donald Trump nicht nur die politische Landschaft und die Finanzmärkte erschüttert. Besonders auch Anleger, die sich mit nachhaltigen Investments beschäftigen, sind angesichts des politischen Gegenwinds aus Washington verunsichert.

US-Schwenk zu fossilen Brennstoffen
Hortense Bioy, Leiterin Nachhaltiges Investieren bei Morningstar Sustainalytics, rechnet damit, dass der unter der Biden-Regierung eingeführte "Inflation Reduction Act" deutlich abgeschwächt wird. Insbesondere Anreize zur Förderung erneuerbarer Energien könnten ihrer Meinung nach umgelenkt werden, um die Produktion fossiler Brennstoffe zu unterstützen. "Das könnte die Dynamik kohlenstoffarmer Projekte verlangsamen", so Bioy. 

Zudem könnten die Deregulierung des Umweltschutzes und die Verkleinerung der Umweltschutzbehörde kurzfristig die Illusion wecken, die Umweltrisiken würden geringer, während die tatsächlichen Klimarisiken mittel- bis langfristig aber weiter steigen.

Auch Folgen für Europa
In Europa habe die Rückkehr Trumps die Nachhaltigkeitsagenda ebenfalls durcheinander gebracht. "Politische Entscheidungsträger sind jetzt ermutigt, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigung gegenüber Nachhaltigkeit und Klimazielen zu priorisieren. Das bedeutet nicht, dass die Klimaziele aufgegeben werden, aber die Strategien zur Erreichung dieser Ziele haben sich geändert." 

Mit der Einführung des Omnibus-Pakets und der Verringerung der Offenlegungspflichten von Unternehmen werde es für Anleger möglicherweise immer schwieriger, ESG-Risiken zu bewerten. "Sie stecken in einem Dilemma: Sie müssen sich in einer Welt zurechtfinden, in der die Klimaziele zwar weiterhin offiziell unterstützt werden, der politische Wille zu ihrer Durchsetzung aber schwächer wird", so die Expertin.

Anleger sind gefordert
Die ersten 100 Tage von Trumps Präsidentschaft seien ein Weckruf gewesen, sagt Bioy. Die Annahme, dass Klima- und ESG-Fortschritte ohne Unterbrechung fortgesetzt würden, sei ernsthaft in Frage gestellt worden. Doch paradoxerweise habe die politische Instabilität auch dazu beigetragen, zu klären, was am wichtigsten sei.

In einem solchen Umfeld fordere das Beherrschen von ESG-Risiken von Anlegern ein größeres Urteilsvermögen, eine gründlichere Due-Diligence-Prüfung und eine langfristige Perspektive. "Während sich das politische Klima ändern kann, werden die materiellen Auswirkungen der Klima- und Nachhaltigkeitsherausforderungen nur noch drängender werden", so Bioy. (jh)