Seit dem Großangriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 hat sich das Engagement europäischer Aktienfonds mit Nachhaltigkeitspräferenzen (Environmental, Social, Governance, ESG) im Bereich Raumfahrt & Verteidigung (Aerospace and Defense, A&D) erhöht. Dieser Trend hat sich nach der Ankündigung des "Rearm Europe"-Plans der EU-Kommission zur Stärkung des Verteidigungssektors zu Beginn dieses Jahres weiter beschleunigt, wie Morningstar mitteilt.

Nach Angaben des Fondsanalysehauses haben mittlerweile rund 43 Prozent der europäischen ESG-Aktienfonds ein gewisses Engagement in Verteidigungstiteln, wodurch sich der Abstand zu den Nicht-ESG-Fonds verringert hat. Diese weisen ein Engagement von 56 Prozent auf. "Während wir bei den Artikel-9-Fonds, die nur vier Prozent aller EU-Fonds ausmachen, keinen großen Anstieg des Engagements im Verteidigungsbereich feststellen konnten, ist das Engagement im Verteidigungsbereich bei den Artikel-8-Fonds gestiegen", sagt Hortense Bioy, Head of Sustainable Investing Research bei Morningstar Sustainalytics.

SFDR-Kategorien
Zur Erklärung: Fonds, die in Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) eingestuft sind, fördern ökologische oder soziale Merkmale, während die strengeren Fonds nach Artikel 9 ein Nachhaltigkeitsziel verfolgen und sich an strengere Offenlegungsstandards halten müssen. Artikel-6-Fonds hingegen fördern keine ESG-Merkmale und verfolgen keine Nachhaltigkeitsziele im Sinne der SFDR.

Ferner zeigt die Morningstar-Analyse, dass aktiv gemanagte europäische ESG-Aktienfonds ihr Engagement in diesem Sektor stark hochgefahren haben. Im Januar 2025 hielten diese Fonds eine durchschnittliche Allokation von knapp 1,9 Prozent in Rüstungsaktien, verglichen mit 0,9 Prozent Anfang 2022. Nicht-ESG-Fonds allokieren aktuell durchschnittlich 2,3 Prozent ihrer Assets in Rüstungswerte – vor dreieinhalb Jahren waren es laut Morningstar 1,19 Prozent. Passive ESG-Fonds investieren nur 0,6 Prozent in den Sektor, verglichen mit 1,7 Prozent bei den passiven Fonds ohne ESG-Ausrichtung. Dennoch ist dies ein Anstieg gegenüber den Vorjahren: Im Januar 2022 waren es 0,34 respektive 1,3 Prozent. 

EU für Waffen
Diese Entwicklung spiegelt nicht nur den wachsenden Appetit der Anleger auf gut laufende Rüstungsaktien wider, die kürzlich eine Rally erlebten, sondern auch eine Neukalibrierung der aufsichtsrechtlichen Auslegungen, schreibt Bioy. So stellte die Europäische Kommission explizit klar, dass die SFDR Investitionen in den Rüstungsbereich nicht ausschließt.

In einer kürzlich veröffentlichten Bekanntmachung betonte die Brüsseler Behörde, dass "der EU-Rahmen für nachhaltige Finanzierungen mit Investitionen im Verteidigungssektor vereinbar ist". Die Nachhaltigkeitsangaben gelten "horizontal für alle Branchen" und der Rahmen "setzt keine Beschränkungen für die Finanzierung irgendeiner Branche, einschließlich des Verteidigungssektors". Jede Investition sollte individuell bewertet und nicht allein aufgrund der Branchenzugehörigkeit abgelehnt werden.

Wie integrieren Asset Manager Rüstungstitel in Nachhaltigkeitsfonds?
Europäische Asset Manager haben ihre Strategien an die neuen Gegebenheiten angepasst. Die DWS und Allianz Global Investors (AGI) haben offiziell dargelegt, warum bestimmte Artikel-8-Fonds jetzt Rüstungsaktien enthalten können – und warum sie umstrittene Waffen weiterhin ausschließen. 

Die DWS unterscheidet zwischen Artikel-8-Fonds, die lediglich ESG-Merkmale offenlegen, und solchen, die ESG oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Namen führen. Fonds, die den "DWS ESG Investment Standard" anwenden, schließen Unternehmen aus, die mehr als fünf Prozent des Umsatzes mit der Herstellung von Produkten und/oder der Erbringung von Dienstleistungen in der Rüstungsindustrie generieren oder an der Produktion von Nuklearwaffen sowie Munition aus abgereichertem Uran beteiligt sind, erläutert die DWS dem Analysehaus. Daran ändere sich nichts. Andere Artikel-8-Fonds folgen jedoch einem grundlegenden Ausschlussfilter, der zuletzt überarbeitet wurde.

In ähnlicher Weise hat Allianz Global Investors seine Artikel-8-Politik angepasst. Im März 2025 kündigte sie Änderungen an, nach denen Rüstungsunternehmen für die Aufnahme in Fonds in Frage kommen, die die verbindlichen Nachhaltigkeitselemente von AGI erfüllen. "Mit dem in Frankreich domizilierten Fonds Allianz Actions Euro Innovation bietet Allianz Global Investors bereits einen Artikel-8-Fonds an, der in Rüstungsunternehmen investiert. Weitere Artikel-8-Fonds werden ihre Anlagepolitik im Laufe des dritten Quartals 2025 anpassen", so AGI gegenüber Morningstar. (jb)