IWF-Studie: Profi-Anleger bringen mit ETFs den Bondmarkt aus der Ruhe
Bislang galt als ausgemacht, dass in Stressphasen börsengehandelte Fonds eher eine stabilisierende Wirkung auf Rentenmärkte haben. Doch eine Studie des Weltwährungsfonds kommt nun zum Ergebnis, dass ETFs die Kurse bei US-Firmenanleihen verzerren können. Das gehe aufs Konto einer bestimmten Gruppe.
Institutionelle Investoren heizen in heiklen Marktphasen die Schwankungen bei US-Unternehmensanleihen an, indem sie häufig Anteile an börsengehandelten Indexfonds (ETFs) kaufen und verkaufen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF). Demnach würden die untersuchten Daten darauf hinweisen, dass die Volatilität in den zugrundeliegenden Bondmärkten steigt, je höher der Anteil institutioneller Investoren an dem jeweiligen ETF-Segment ist.
Grundsätzlich gehe jedoch von ETFs eine beruhigende Wirkung auf den Rentenmarkt aus, betonen die Studienautoren. Denn beim Handel von ETF-Anteilen muss meist nicht das zugrundeliegende Bondportfolio angefasst werden – anders als bei klassischen Fonds. Vielmehr können die autorisierten Handelspartner der ETFs ähnliche Papiere ("in-kind") austauschen sowie die Anleihen übergangsweise im Handelsbuch behalten – und damit den Bondmarkt vor Preisverwerfungen bewahren.
Transatlantischer Unterschied
In den USA ist der stark wachsende ETF-Markt bislang vor allem von der Nachfrage durch Retailanleger getrieben. Institutionelle Anleger spielen hier bislang eine geringere Rolle, doch ihr Anteil wächst. Dies steht im Gegensatz zum europäischen ETF-Markt, auf dem bisher klar die Profi-Investoren überwiegen und erst langsam der Anteil der Privatanleger zunimmt. Die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Retail- und institutionellen Anlegern scheinen jedoch eine Rolle bei der Wirkung von ETFs auf die zugrundeliegenden Märkte zu haben, so die IWF-Studie.
Denn während Retailanleger ETFs der Studie zufolge eher mit einer strategischen Perspektive länger halten, verfolgen Profi-Investoren mit diesen Instrumenten auch kurzfristigere, taktische Strategien. So verringern sie etwa durchaus aggressiv bei Preisrückgängen ihre Allokationen in bestimmten Anlageklassen. In heiklen Marktphasen, wie etwa im Corona-Crash des Jahres 2020, kann dies dazu führen, dass die ETFs am Ende doch die Anleihen auf den Markt werfen müssen – was in einem ohnehin ausgetrockneten Handel den Druck zu einem Ausverkauf verschärft.
ETFs transformieren Rentenmarkt
Damit wirft die Studie des Weltwährungsfonds einen kritischeren Blick auf den Einfluss des stark wachsenden Segments der ETFs auf die zugrundeliegenden Märkte. "Die Überschrift der Studie steht gegen die bisherige Linie von Untersuchungen, die eigentlich zu dem Ergebnis kamen, dass ETFs im Anleihenhandel die Liquidität steigern", gibt Lukas Ahnert, Produktspezialist bei der DWS-Marke Xtrackers, eine erste Einschätzung zu den Ergebnissen ab.
Grundsätzlich ist Ahnert überzeugt, dass "ETFs einen Teil des Anleihemarkts transformieren" werden. Der Markt werde transparenter und liquider, der Handel laufe schneller ab. Doch: "Das gilt aber nur für den Teil des Bondmarkts, der für die Aufnahme in Indizes geeignet ist", schränkt Ahnert ein. Das Autorenteam des Währungsfonds sieht selbst noch weiteren Untersuchungsbedarf, um herauszufinden, welche Anlegergruppen und welche Anlagevehikel welchen Einfluss auf die zugrundeliegenden Kapitalmärkte haben. (ert)