Investment-Siegel: EU-Länder stellen "Finance-Europe-Label" vor
Sieben Staaten der Europäischen Union (EU) wollen ein Gütesiegel für Finanzprodukte entwickeln, mit denen Privatanleger langfristig in Unternehmen mit Sitz in Europa investieren können. Erste Entwürfe für das Label wurden jetzt in Paris präsentiert.
Vertreter verschiedener Staaten der Europäischen Union (EU), darunter Frankreich, Spanien und Deutschland, haben am Donnerstag (5.6.) in Paris die Entwürfe für ein europäisches Gütesiegel für Privatanleger vorgestellt. Ziel des "Finance-Europe-Labels" ist es, Geldströme in europäische Unternehmen zu lenken und Sparern die Möglichkeit zu geben, innerhalb der EU langfristig zu investieren.
Bis 2030 werde die EU schätzungsweise 800 Milliarden Euro benötigen, um etwa den Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft zu schaffen und Investitionen in die Digitalisierung sowie in Infrastrukturprojekte zu stemmen, heißt es in einer Pressemitteilung des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums. Die europäischen Haushalte verfügten in Summe über ein Vermögen von rund 35 Billionen Euro. Bislang fließe davon nur ein sehr begrenzter Teil in die europäische Wirtschaft. Das soll sich ändern.
Zu 70 Prozent in Europa investieren
Den Entwürfen zufolge wird das "Finance-Europe-Label" nur für Finanz- oder Versicherungsprodukte vergeben, die mindestens 70 Prozent ihrer Vermögenswerte innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums anlegen. Dies soll gewährleisten, dass ein Produkt die strategischen Prioritäten der EU fördert und einen Beitrag zur Autonomie Europas leistet.
Für welche Finanz- und Versicherungsprodukte das Gütesiegel beantragt werden kann, steht noch nicht endgültig fest. Im Entwurf für das Label werden Aktien, aktive gemanagte UCITS-Fonds, ETFs, alternative Investmentfonds, European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) sowie Anleihen genannt. Krypto-Assets sollen ausgeschlossen sein. Als weiteres Kriterium für den Erhalt des Siegels soll eine Haltedauer von mindestens fünf Jahren vorgesehen werden. Im Gespräch sind zudem steuerliche Investitionsanreize, welche die EU-Mitgliedsländer jeweils einzeln festlegen können.
Siegel soll nicht zur Pflicht werden
Bei der spanisch-französischen Initiative für ein "Finance-Europe-Label" handelt es sich nicht um ein Projekt des europäischen Gesetzgebers, sondern um ein koordiniertes Vorhaben mehrerer EU-Länder. Es steht allen EU-Mitgliedstaaten frei, sich daran zu beteiligen. Bisher sind außer Spanien, Frankreich und Deutschland auch die Niederlande, Portugal, Luxemburg sowie Estland dabei. Das Siegel soll nicht zur Pflicht werden, wer es nutzt, muss aber die zugrundeliegenden Kriterien einhalten. Dies sollen die nationalen Finanzaufsichtsbehörden prüfen.
In der Finanz- und Versicherungsbranche stößt das geplante Label auf unterschiedliche Meinungen. "Ein solches Label kann das Vertrauen stärken und privates Kapital mobilisieren", urteilt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, der "Börsen-Zeitung" zufolge. Das Siegel könne zum Symbol für mehr Transparenz in einer oft unübersichtlichen Finanzwelt werden. Für Asmussen kommt es entscheidend darauf an, dass das "Finance-Europe-Label" auch für kapitalbildende Versicherungsprodukte vergeben werden darf.
Nicht für unerfahrene Sparer
"Das Ziel, mehr Menschen an die Kapitalmärkte zu bringen und die europäische Wirtschaft zu finanzieren, ist gut", findet Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. Allerdings könne sich das Label nicht an unerfahrene Sparer richten, weil es unter anderem Anlagen mit geringer Liquidität ermögliche. Auch für die Altersvorsorge eigne sich das Siegel nicht, da das engere Anlageuniversum langfristig zu geringeren Renditechancen führe. "Zudem ist fraglich, ob die EU-Länder es schaffen, die notwendigen steuerlichen Anreize zu gewähren", so Richter. (am)