Über die Art und Weise, wie man Teuerungsraten am wirklichkeitsnahesten misst, wird seit je her zwischen Ökonomen gestritten. Mit Beginn der Corona-Pandemie erhielt die Dauerdebatte neuen Schwung. Grund: Dass die Inflationsraten während des Shutdowns so extrem in die Knie gingen, hing auch damit zusammen, dass beispielsweise Benzin spottbillig war, weil wegen des Homeoffice-Trends und der Reisebeschränkungen kaum jemand mit dem Auto fuhr – während sich andere Dinge wie Lebensmittel, die man weiter dringend brauchte, oder Wohnungsmieten kräftig verteuerten, was aber die offiziellen Daten kaum bewegte. 

Auch aktuell sorgt das Messverfahren für die Inflationsrate für Unmut in der Gesellschaft. Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), ist der Ansicht, dass die EZB bei der Inflationserhebung auch den Anstieg der Immobilienpreise berücksichtigen muss. Dies geht aus einem Interview mit der "Financial Times" hervor. Der bislang nur unzureichend berücksichtigte Immobilienboom birgt das Risiko, dass die Währungshüter zu spät bei der Änderung der Geldpolitik agierten, so Schnabel. Bislang wehrt sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde gegen alle Forderungen, möglichst rasch eine Zinswende nach oben vorzubereiten. Eine Umstellung der Inflationsberechnung würde den Handlungsdruck indes massiv erhöhen: Würden die Preise für selbstgenutzte Immobilien eingeschlossen, fiele die Inflationsrate deutlich höher aus als bisher. Kenner rechnen mit einem Steigerungseffekt von bis zu 0,3 Prozentpunkten pro Jahr. 

Neu, aber deshalb auch näher am Leben?
Die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum sind allerdings nicht leicht zu ermitteln, stellt die FAZ fest. Zum einen müssten die Kosten des Wohngebäudes berechnet und anschließend vom Anstieg des Immobilienvermögenswert getrennt werden. Zum anderen liegen die Werte für Immobilienpreise aktuell nur quartalsweise vor. "Die langfristigen Wirkungen dieser Umstellung werden überschätzt", meint beispielsweise Bundesbank-Noch-Präsident Jens Weidmann. (as)