Fondsmanager: ESG-Daten bergen drei wesentliche Probleme
Welche Nachhaltigkeitsrisiken sind wirklich wesentlich für ein Unternehmen? Gelingt es, mit Daten zu Umwelt-, Ethik- oder Governance-Aspekten einen Mehrwert zu schaffen? Und bleibt eine topbewertete Firma dauerhaft ESG-Vorreiter? Portfoliomanager von Nikko AM haben sich dazu ihre Gedanken gemacht.
Nachhaltigkeitsdaten können bei der Aktienauswahl helfen – Investoren müssen aber wissen, wo ihre Grenzen liegen. Dieser Überzeugung ist das Global-Equity-Team von Nikko Asset Management.
Für die Portfoliomanager steht außer Frage, dass Unternehmen ihre ESG-Risiken effektiv managen sollten. "Firmen mit überdurchschnittlichen ESG-Bewertungen haben in der Regel überdurchschnittliche Compliance-Standards und sind weniger von schwerwiegenden Vorfällen betroffen, die zu erheblichen Kursverlusten führen", schrieben sie jüngst in einem Marktkommentar. "Zu sehr sollte man sich bei der Aktienauswahl allerdings nicht von ESG-Daten abhängig machen. Denn diese sind nur eingeschränkt aussagekräftig."
"Der ESG-Bereich steckt noch in den Kinderschuhen"
Konkret nennt das Nikko-AM-Team drei Mängel. Erstens gebe es einen Mangel an Standardisierung und rechtlicher Autorität mit Blick auf die Quantifizierung und Offenlegung der Daten. "Im Gegensatz zur traditionellen Rechnungslegung steckt der ESG-Bereich noch in den Kinderschuhen", so die Fondsmanager.
Knifflig sei etwa die Antwort auf die Frage, welche Nachhaltigkeitsrisiken tatsächlich wesentlich seien. Im Nachhinein ließen sich solche Faktoren leicht identifizieren, als Beispiele nennen die Autoren extreme Wetterbedingungen, von Menschen verursachte Katastrophen (wie die Deepwater-Horizon-Ölpest) und Kinderarbeit. "Sie im Voraus zu identifizieren, zu verstehen, zu bewerten und zu entscheiden, ob sie offengelegt werden sollten, ist erheblich schwieriger", betonen die Portfoliomanager.
Kausalität oder Korrelation?
Als zweites Problem haben die Finanzprofis die Unfähigkeit der ESG-Forschung identifiziert, Korrelation von Kausalität zu trennen: "Selbst dort, wo die Forschung untersucht, warum hohe ESG-Bewertungen zu einer verbesserten Finanzleistung führen könnten, litten die Forscher unter einem Mangel an Daten. Das frühe Stadium der ESG-Datenindustrie ist ein Problem für diejenigen, die einen statistischen Beweis dafür benötigen, dass ESG einen Mehrwert schafft."
Das dritte Problem mit ESG-Daten sei, dass die meisten von ihnen rückwärtsgerichtet seien. "Ähnlich wie Unternehmen, die heute hohe Renditen erzielen und das in fünf Jahren möglicherweise nicht mehr schaffen, sind Firmen mit hohen ESG-Werten heute möglicherweise nicht die führenden Unternehmen von morgen", erläutern die Nikko-AM-Manager. "Es reicht nicht aus, ein Unternehmen in einer Branche mit hohen Renditen oder einer hohen ESG-Bewertung zu finden. Um ein gutes Unternehmen zu finden, das in der Lage ist, eine hohe Leistung aufrechtzuerhalten, muss man die Bedingungen, unter denen das Unternehmen tätig ist, genau verstehen und sowohl das Management als auch die Governance-Struktur bewerten." (bm)